zum Hauptinhalt
Die ARD hat demnächst fast jeden Abend eine Talkshow im Programm.

© dpa

Talkshows: Ersaufen im Gequatsche

Sonntag: Jauch, Montag: Beckmann, Dienstag oder Donnerstag: Maischberger oder Will, Mittwoch: Plasberg. Die ARD-Intendanten haben ein Problem: Wer will das alles sehen? Themen werden kannibalisiert, die Gesprächskultur sinkt.

Das Fernsehen wird immer schlechter. Darüber herrscht Konsens im Land. Auch darüber, dass es immer noch schlechter geht. Uneinigkeit kommt erst bei der Frage auf, was das Fernsehprogramm noch schlechter machen wird. Manche sagen, die dauernden Fußball- Übertragungen, andere nennen Telenovelas, Dritte beißen sich am Wetterbericht fest. Die ARD macht sich nun auf, dem Fernsehvolk eine Plattform zu schaffen, auf der sich aller Frust versammeln kann – bei der Talkshow. Die Intendanten sitzen dieser Tage über einem selbst kreierten Problem: Sie haben Günther Jauch engagiert. Der Fernsehkönig soll von Herbst 2011 an den politischen Talk von Anne Will am Sonntagabend nach dem „Tatort“ übernehmen. Zugleich soll Will nicht verloren gehen. So droht ein Talkshow-Tsunami. Sonntag: Jauch, Montag: „Beckmann“, Dienstag: „Menschen bei Maischberger“ (oder „Anne Will“, darüber beraten die ARD-Chefs), Mittwoch: „Hart aber fair“, Donnerstag: „Anne Will“ oder („Menschen bei Maischberger“). Wer will das sehen?

Eine Talkshow ist ein so einfaches wie schwieriges Fernsehformat. Es braucht Themen und Gäste. Wenn das Talk-Quintett im Ersten erst einmal installiert ist, steht ein wöchentliches Hase-und-Igel-Rennen an. Wer darf Thilo Sarrazin und seine Thesen bearbeiten, wer nicht? Da sich jeder Talkmaster und der hinter ihm stehende Sender für absolut „ok“ (= ohne Konkurrenz) hält, wird der Zuschauer entscheiden müssen, wer wirklich reüssiert. Der hat ja schon jetzt die Qual der Wahl, neben den ARD-Talks „Maybrit Illner“ im Zweiten, die Runden bei Phoenix, in den Dritten, bei den Privaten. Das Fernsehen ist eine Quatschbude sondergleichen. Verschärft sich die Konkurrenz mit dem Jauch-Eintritt erneut, werden die Themen weiter kannibalisiert, hochgejazzt, auf dass auch in der x-ten Runde die Pegelmarken von Aufmerksamkeit und Aufregung stimmen.

Themenfindung und Themensetzung sind das eine, die Gästeliste das andere Problem. Das Überall an den Talks hat einen neuen Beruf erschaffen – den Talkshowgast. Ein Hans-Olaf Henkel oder ein Arnulf Baring, sie wären längst vergessen, wenn sie nicht Männer mit ausgeprägter Neigung – und Fähigkeit – zur Thesenbildung wären. Ihre Aufgabe ist nicht die Problemlösung, sondern die schräg angesetzte, miesepetrige Analyse. Gefordert ist Attitüde statt Autorität. Umgekehrt beginnt der Gast, sich seinen „Besprecher“ auszusuchen. Karl-Theodor zu Guttenberg, unser aller Verteidigungsminister, will ohne „Beckmann“ gar nicht mehr sein, so geborgen fühlt er sich beim Schwatzmeister inter pares.

Hochtoupierte Themen, Kampf um die Gäste, Politiker, die ihr Erscheinen nach dem Wohlfühlfaktor bestimmen, was ist, was wird die Talkshow auch mit Jauch mehr sein als die Karikatur eines Gesprächs? Dem Fernsehvolk bleiben nur zwei Rollen; einmal ist es das Stimmvieh für die Einschaltquoten. Oder es wird in die Runden hineingeschnitten als exemplarischer Fleisch-und-Blut-Beweis für das Problem, das die Expertenrunde generös lösen will und generell niemals lösen wird. Aber schön, dass wir darüber getalkt haben.

Zur Startseite