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Grün und Rot sondieren in Berlin - und nehmen Koalitionsgespräche auf.

© dpa

Rot-Grün verhandelt: Es geht ums Koalieren, nicht ums Kuscheln

Jetzt muss es klappen. Eine Stimme über der absoluten Mehrheit – da darf nichts wackeln. Das wissen nun beide Partner; diejenigen, die Dienstag erneut sondierten, aber auch jeder aufmüpfige Funktionär, von denen die Grünen nicht wenige haben.

Dabei schien es fast, als wäre Rot-Grün schon gescheitert, bevor es richtig los gehen konnte mit den Koalitionsverhandlungen. Es gibt bloß einen Versuch. Das mache ich nur ein Mal mit, hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit schon 2006 gedroht, als Rot-Rot bei seiner Wiederwahl im Abgeordnetenhaus zwei Stimmen fehlten.

Mag sein, dass diese krisenhafte Zuspitzung der vergangenen Woche ihr Gutes hat. Alle Leichtfertigkeit einer ersehnten Liebesehe, als die ein solches Bündnis bei vielen Grünen und Sozialdemokraten gilt, ist nun gründlich verflogen. Gut so. Denn für Berlin steht zu viel auf dem Spiel: Es geht darum, in den nächsten fünf Jahren endlich so viele Arbeitsplätze zu schaffen, damit Berlin nicht mehr Armenhaus der Republik ist, dass die Ressourcen aus Universitäten und Forschung genutzt werden, und Berlin mit ökologischen Verkehrskonzepten und einer Stadtsanierung weltweit ausstrahlt – ohne soziale Spannungen und mit bezahlbaren Mieten. Das ist der einzige Maßstab für Berlin, nicht kuschelige Wohlfühl-Atmosphäre. Je klarer die Ziele festgeschrieben werden, um so besser. Eine dauer-kriselnde Koalition, die sich durch die Regierungsarbeit quält, das wären verlorene Jahre für Berlin.

Und raus bist du. Der Regierende Bürgermeister weiß, wie man Koalitionsverhandlungen an die Wand fährt, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen. 2001 war es eine plötzlich auftauchende Motorbootsteuer, der die FDP nicht zustimmen konnte und statt Rot-Grün-Gelb der politische Tabubruch einer rot-roten Koalition möglich war. Auch diesmal waren die Gespräche so kurz vorm Abbruch, dass sich die CDU bereits Hoffnung machen konnte, nach zehn Jahren Opposition bald am Senatstisch zu sitzen. Schon vorbei. Wowereit könnte durchaus Gefallen haben an einer Neuauflage der Großen Koalition, die zumindest eine sichere Mehrheit von zehn Stimmen hätte – und eine Option wäre, den stärker werdenden linken Flügel der SPD besser im Schach zu halten. Nicht nur Wowereit wird sich erinnern, dass er nur mit seiner ganzen Autorität und einer Rücktrittsdrohung ein knappes Ja eines Parteitags zum Weiterbau der Autobahn A100 erzwang. Da gibt es manch offene Rechnung. Doch was Klaus Wowereit nicht schreckt, ist in der SPD immer noch vom Trauma der großen Koalition von 1990 bis 2001 überwölbt und schwerlich durchzusetzen. Ein guter Teil der SPD-Mitglieder verbindet damit ein zwölfjähriges Siechtum und hält die Union immer noch für personell und inhaltlich zu wenig erneuert.

Beide Seiten haben dazu beigetragen, dass die Verhandlungen nun belastet beginnen. Der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, hat mit seinem kapitalen Fehler, sich vor der Wahl beim Nein zum Weiterbau der A100 einzubetonieren, den Regierenden Bürgermeister zu einer harten Reaktion gefordert. Klaus Wowereit wiederum, der sein politisches Schicksal mit der Betonpiste verbunden hat, demontierte seinerseits genüsslich die Glaubwürdigkeit der Grünen. Ohne Vertrauen und Verlässlichkeit aber kann es keine erfolgreiche Zusammenarbeit gehen. Auch die Grünen müssen anerkennen, dass Wowereit ein hohes Risiko eingeht. Noch mal zurück kann auch er nicht. Dafür wäre der Preis viel zu hoch, den die CDU verlangte. Jetzt muss es klappen.

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