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Das Flüchtlingscamp in Berlin: Jetzt wird wieder verhandelt.

© dpa

Flüchtlingscamp am Oranienplatz: Aufräumen mit Feingefühl

Die Räumung des Flüchtlingscamps am Oranienplatz ist vorerst vom Tisch. Innensenator Frank Henkel muss nun lernen, dass man in der Politik besser keine Fristen setzt. Klaus Wowereit weiß das schon - seit er versucht hat, einen Flughafen zu eröffnen.

Womöglich lesen sie auf dem Kreuzberger Oranienplatz keine Koalitionsverträge. Sonst wüssten sie, dass die schwarz-rote Bundesregierung versprochen hat, besser und liberaler mit Flüchtlingen und Asylbewerbern umzugehen. Die Residenzpflicht soll gelockert, Asylbewerber und sogenannte Geduldete sollen nach drei Monaten arbeiten dürfen. Damit ist viel, wenn auch nicht alles von dem erreicht, was die Flüchtlinge im „Refugee Camp“ auf dem Oranienplatz gefordert haben. Doch geht es in und um das Camp herum längst um anderes: um die Grundlagen des Asylrechts und ein paar politische Prinzipien.

Nur mit Letzteren schlägt sich der Berliner Senat herum. Innensenator Frank Henkel glaubt spätestens seit Ende November, dass die grüne Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann mit der O-Platz-Problematik überfordert ist – oder dass sie den Konflikt mit Flüchtlingen und deren linksradikalen Unterstützern nicht will. Also hat er vor Weihnachten mächtig Druck aufgebaut und damit gedroht, alle Voraussetzungen für eine Räumung des Platzes zu schaffen.

Geblieben ist davon nicht viel. Der Senat setze, sagt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, erst mal weiter auf Verhandlungen mit den Flüchtlingen. Dilek Kolat wird sich einschalten, Senatorin für Integration, Politikerin mit Feingefühl und, anders als Henkel, frei von Sorgen vor dem Reden mit vielen an Runden Tischen.

Das ist eben das Prinzipielle an diesem Konflikt: Löst man ihn nach den Kriterien von Recht und Ordnung, Zuständigkeit, Grünanlagengesetz, Bezirksaufsicht und – vielleicht in einer eiskalten Winternacht – mit einem Polizeieinsatz, wenn es anders nicht geht? So konnte man Henkel verstehen, noch im Dezember, als er sagte, eine Räumung sei „letztes Mittel“, und betonte, er sei „als Innensenator dafür zuständig, Recht und Gesetz durchzusetzen. Das werde ich tun“.

Streit um das Flüchtlingscamp: Die Kreuzbergisierung der Hauptstadt-Politik

Worte wie ein spätes Echo auf die markigen Versprechen des Mannes, der 2011 Regierender Bürgermeister hatte werden wollen. Damals kündigte Henkel an, er wolle „aufräumen“, wo Berlin nicht funktioniere. Und nun? Kein Wort von Vertrauenskrise zwischen CDU und SPD, nachdem der Senat den Innensenator gebremst hat – dafür viel Gerede von Konsens, Gespräch, mehr Zeit zum Reden – wobei noch unklar ist, wer in wessen Auftrag mit wem reden soll.

Man könnte den Vorgang als die Kreuzbergisierung der Hauptstadt-Politik bezeichnen. Hier wird kein Streit prinzipiell entschieden, keine Ordnung um ihrer selbst willen wiederhergestellt. Konflikte kommen auf den Tisch, den runden, dann sieht man weiter. Die Berliner Linie in der Flüchtlings- und Asylpolitik wäre in diesem Sinn der Versuch, prinzipielle Probleme per Einzelfall- und Kleingruppen-Entscheidung zu lösen, so wie mit der ersten Gruppe der Oranienplatz-Flüchtlinge geschehen: kein Grund, sich zu grämen.

Nicht mal der Regierende Bürgermeister in all seiner Richtlinienkompetenz hat auch nur Fingerzeige gegeben, wie er sich eine Lösung des Konflikts denkt und was ihm wichtiger ist, Ordnung oder Polit-Symbolik in Sachen Asylrecht. Doch wären solche inhaltlichen Fingerzeige von Wowereit wohl schon zu viel erwartet. Zu viel Positionierung schadet nur – das zeigt das Beispiel Angela Merkel. Henkel muss nun bloß noch lernen, dass man in der Politik besser auch keine Fristen setzt. Wowereit weiß das, seit er versucht hat, einen Flughafen zu eröffnen.

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