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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Flüchtlingsdebatte: Ein Hoch auf die Kanzlerin

Kanzlerin Merkel bleibt in der Flüchtlingsfrage stark bei ihrer humanen Linie. Unser Kolumnist Helmut Schümann, Kind der rebellierenden 68er, hätte sich nie vorstellen können, jemandem von der CDU zuzujubeln. Hier tut er es.

Auch Kolumnisten dürfen eine Haltung haben. Sogar eine politische. 1968 war ich zwölf Jahre alt und musste ins Bett, wenn am Abend in der Tagesschau die Revolte tobte. Aber trotzdem war es mir wahrlich nicht in die Wiege gelegt, dass ich einmal einer Kanzlerin der CDU applaudiere.

Liebe Angela Merkel, Sie sprechen mir aus dem Herzen, aus meiner Überzeugung, ja, wir schaffen das! Es war zu hören, dass Sie Kandidatin für den Friedensnobelpreis seien. Ist es zu fassen, ich würde es Ihnen gönnen. Bitte, bleiben Sie bei Ihrer Haltung, knicken Sie nicht ein gegen all die Krakeeler, die von Flüchtlingsfluten, die unser Land überschwemmen, sprechen und nicht einmal merken, dass sie sich der Sprache der Nazis bedienen. Oder merken sie es und bedienen sich ihrer, weil sich damit gut Lügen verbreiten lassen? Bleiben Sie stark in Ihrer Vorbildrolle, liebe Frau Merkel, auch wenn die Stimmung im Land zu kippen droht und jetzt schon 59 Prozent der Deutschen Ihre Flüchtlingspolitik für falsch halten. Ich gehöre zu hundert Prozent zu den 41 Prozent.

Gute Güte, die Vorstellung, dass ein Verfassungsgegner wie Markus Söder einmal Ministerpräsident von Bayern werden könnte, ist in etwa so gruselig wie die, dass Donald Trump Präsident der USA wird. Zwar hat Söder die bessere Frisur, aber unter beider Frisuren befindet sich das Hirn. Mit dem könnte man denken. Wenn man kann und will. Stattdessen befeuern diese Söders der Republik die Inhumanität und den Zynismus. Schon greift dieses Gift auch andere Köpfe an, auch die halbe SPD faselt neuerdings, dass wir es nicht schaffen können. Und der „Bericht aus Berlin“ schürt mit und illustriert die vermeintlichen Ängste mit einer verschleierten Kanzlerin vor Minaretten am Reichstag. Perfide und subtil wie die Nachrichten im Fünfzehnminutentakt, die davon berichten, dass wir alle ach so viel Angst vor den Flüchtlingen haben. Vielleicht sollen wir das am Ende glauben, und glauben es wirklich. Nein, ich habe keine Angst vor Flüchtlingen, und ich habe, wie Sie, liebe Frau Merkel, keine Lust, mich für Freundlichkeit und Menschlichkeit zu entschuldigen. Das ist unser Deutschland, und auf einen Teil dieses Deutschlands kann man stolz sein. Es ist zwar unglaublich, aber ich nehme Sie, Angela Merkel, mal zum Vorbild. Sie nehmen die Flüchtlinge in unserem Land auf. Ich nehme zwei in meiner Wohnung auf. Danke, Frau Bundeskanzlerin.

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