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Im vergangenen Jahr sprachen sie noch zusammen, wenn auch unter dem Druck der USA: Israels Premier Netanjahu (M.) und Palästinenser-Präsident Abbas (r.).

© dpa

Nahost-Konflikt: Für Israel ist es eine Frage des Willens

Europa geht auf Distanz. Selbst die USA verlieren langsam die Geduld. Wenn sich in Jerusalem nicht Weitblick mit Entschlusskraft paart, bleibt alles, wie es ist. Premier Netanjahu könnte es ändern - andere haben es vorgemacht.

Er ist schon wieder zu sehen, der Tunnel am Ende des Tunnels. Schwarz folgt auf schwarz. Israel warnt vor der Hamas, die Palästinenser beklagen den Siedlungsbau, nebenbei spielen beide Seiten Diplomatenpoker um die symbolische Anerkennung eines Palästinenserstaates im September durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen, und Barack Obama will sich an dieser Fehde, ein halbes Jahr vor Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes, natürlich nicht die Finger verbrennen. Alle Hamster rotieren im Rad, bewegen sich aber nicht von der Stelle. Die ganze Welt ändert sich, bloß der Nahostkonflikt bleibt, was er war – ungelöst.

Wer in dieser Lage seine Resthoffnung auf große Reden setzt, wird leicht enttäuscht. Das Wesentliche ist längst gesagt. Und über das Wesentliche herrscht längst Einigkeit: Es soll zwei Staaten geben, der Grenzverlauf orientiert sich an der Grünen Linie von 1967, einige Siedlungsblöcke bleiben bei Israel, dafür werden die Palästinenser mit anderen Gebieten kompensiert, Jerusalem wird die Hauptstadt von beiden Staaten, ohne erneut geteilt zu werden, ein Staat Palästina wird im militärischen Bereich nur eingeschränkt souverän sein. Auf diese Kompromisslinie haben sich Israelis und Palästinenser schon oft verständigt. Allein die Angst vor dieser Lösung ist nach wie vor groß. Denn wer verzichtet, verärgert jene, deren territorialer Absolutheitsanspruch ideologisch verankert ist.

Es ist also nicht Fantasie gefragt, um sich aus dem Fluch der Besatzung zu befreien, sondern Mut. Für Israel gilt das auch deshalb, weil die Zeit gegen das jüdische Gemeinwesen arbeitet. Sieht man einmal von der Möglichkeit eines gewaltsamen Transfers von Palästinensern ab (sprich: der ethnischen Säuberung), ist die einzige Alternative zur Teilung des Landes die fortgesetzte Herrschaft über ein anderes Volk, die Verewigung des Unrechts. Doch in dem Maße, wie sich die arabischen Staaten demokratisieren, etwa im wichtigen Nachbarland Ägypten, werden sie wohl antiisraelischer. Am eigenen Leibe haben die Menschen erfahren, dass Selbstbestimmung erkämpft werden muss. Bald könnte der Funke ihres Freiheitskampfes in die Westbank überspringen. Dagegen lässt sich kein Präventivkrieg führen, sondern nur ein Präventivfrieden auf den Weg bringen.

Die Beziehungen Israels zur Türkei sind bereits auf dem Tiefpunkt, Europa geht auf Distanz. Selbst die USA verlieren langsam die Geduld. Allein gegen den Rest der Welt, unverstanden in der Isolation: Das Gefühl kennt man in Israel. Geadelt wird es durch die Überzeugung, sich verteidigen zu müssen, von Feinden umzingelt zu sein. Allerdings besteht ebenso die Tendenz, äußere Bedrohungen zu übertreiben, um die Teilung des Landes, der man grundsätzlich zugestimmt hat, in der aktuellen Lage unpassend zu finden. Im Prinzip ja, aber … – bei Radio Eriwan war’s ähnlich.

Amerikas Einflussmöglichkeiten auf den Nahostkonflikt werden oft überschätzt. Wer den Leidensdruck auf Israel erhöht, provoziert meist nur Trotz. Wenn sich in Jerusalem nicht Weitblick mit Entschlusskraft paart, bleibt alles, wie es ist, Tendenz negativ. Dass es anders geht, haben Menachem Begin und Jitzchak Rabin bewiesen. An diesem Dienstag spricht Benjamin Netanjahu im amerikanischen Kongress. Es könnte der Auftritt seines Lebens sein – oder ein gigantischer Bluff. Der Tunnel am Ende des Tunnels.

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