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Eine alte und demenzkranke Frau sitzt in einem Pflegeheim in Frankfurt an der Oder (Brandenburg).

© dpa

G-8-Gipfel: Ein gutes Signal beim Thema Demenz

Es ist ein gutes Signal, dass die G-8-Staaten sich des Themas Demenz annehmen. Vor allem, weil jenseits aller Statistiken das Schicksal der Kranken, ihrer Angehörigen und der Betreuer endlich mehr Aufmerksamkeit erfährt.

"Es gibt nicht eine Form von Demenz. Es gibt nicht Dutzende. Es gibt Hunderttausende“, schreibt der demenzkranke britische Fantasy-Schriftsteller Terry Pratchett in seinem Blog. „Jede Person, die mit einer dieser Krankheiten lebt, wird auf eine einzigartig zerstörerische Weise von ihr betroffen sein.“ Pratchett weist damit auf den unheimlichen Kern des geistigen Verfalls, der Demenz hin. Sie ist nicht „äußerlich“, rein körperlich wie ein gebrochener Arm oder ein Herzleiden, sondern dringt in unser Innerstes vor, verändert unser Wesen, die gewachsene Persönlichkeit mit ihren Erinnerungen. Also das, was jeden Menschen einzig und unverwechselbar macht. Und sie verschont niemanden, auch nicht Sir Terry, den witzig-geistvollen Autor der „Scheibenwelt“-Romane.

Ansätze für ein Heilmittel

Erst vor kurzem hat die Organisation „Alzheimer’s Disease International“ die Erkrankungszahlen um 17 Prozent nach oben korrigiert. Weltweit sollen 44 Millionen Menschen an Demenz erkrankt sein, 2050 könnten es 135 Millionen sein. In Deutschland nimmt man 1,4 Millionen Demenzkranke an, mit drei Millionen Betroffenen wird für 2050 gerechnet. Vor dem Hintergrund dieses finsteren Szenarios treffen sich heute die Vertreter der G-8-Staaten in London, um über Maßnahmen im Kampf gegen die Demenz zu beraten. Die Rede ist gar von einem Wendepunkt. Vieles von dem, was die Experten den Politikern erzählen werden, wird jedoch Stirnrunzeln bei ihnen hervorrufen. Etwa die Tatsache, dass alle Ansätze für ein Alzheimer-Heilmittel mehr oder weniger fehlgeschlagen sind.

Einflüsse auf Demenz-Epidemie

Und doch, die Situation ist nicht aussichtslos. Aus Ländern wie den USA, Großbritannien und den Niederlanden kommen Studien, die auf einen Abwärtstrend der Demenz hindeuten. Menschen in höherem Alter werden nach diesen Untersuchungen heute seltener dement, das Risiko ist um 30 bis 50 Prozent geringer als vor etwa 20 Jahren. Zwar nimmt die Zahl der Älteren zu, aber gleichzeitig bleiben prozentual mehr von ihnen geistig gesund. Es ist also durchaus möglich, geistigen Verfall zu verhüten oder hinauszuzögern. Zwar nicht die Demenz vom Alzheimer-Typ, aber die gefäßbedingte, sprich: die Hirnverkalkung. Ein gesünderer Lebensstil, bessere Bildung, mehr Bewegung und das Bekämpfen von medizinischen Risiken wie hohem Blutdruck und Diabetes haben offenkundig einen merklichen Einfluss auf die Demenz-Epidemie.

Das Schicksal der Erkrankten

Es ist ein gutes Signal, dass die G-8-Staaten sich gemeinsam des Themas annehmen. Vor allem, weil jenseits aller Statistiken und Zukunftsaussichten das Schicksal der Kranken, ihrer Angehörigen und der Betreuer endlich mehr Aufmerksamkeit erfährt. Ihre Stimme sollte gehört werden. In erster Linie muss es darum gehen, das Schicksal der Patienten zu verbessern, die Bevölkerung besser aufzuklären und ihr Verständnis zu wecken.

Dorf für Demenzkranke

„Ich werbe darum, die Demenz anzunehmen“, hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen einmal in einem Interview gesagt; ihr Vater ist seit 2003 erkrankt. „Sie ist eine Krankheit und keine Katastrophe.“ Beispielhaft dafür, wie man selbstverständlich mit der Krankheit umgehen kann, ist Hogeweyk, das Dorf für Demenzkranke bei Amsterdam. Hier leben die Patienten in einer wohnlichen Umgebung wie in einem gewöhnlichen Dorf mit Café, Supermarkt, Friseur und Kneipe. Beschützt und betreut, und trotzdem alles ganz normal und dazu da, den Betroffenen ihr Leben so angenehm wie möglich zu machen. Hogeweyk mag ein Dorf des Vergessens sein, aber es ist kein Dorf der Vergessenen.

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