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Politik und PID: Gute Eltern, schlechte Eltern

Die Bundestagsdebatte über die PID zeigt: Die Politik traut den Betroffenen nicht. Selbst die Entwürfe, die eine PID zulassen, stellen hohe Hürden.

Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich“, schreibt der russische Schriftsteller Leo Tolstoi in seinem Roman „Anna Karenina“. Mit Familienglück und -unglück hat sich am Donnerstag auch der Bundestag beschäftigt. Bei der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) geht es juristisch um die Frage, ob man Embryonen bereits im Reagenzglas auf Genkrankheiten untersuchen darf und ob man notfalls eine Schwangerschaft beenden darf, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Die Politik ist zerrissen. Einige sind für ein völliges Verbot der PID, andere wollen sie in engen Grenzen erlauben. Die Debatte wird – das muss man der Politik zugute halten – mit großem Ernst geführt. Der Fraktionszwang ist aufgehoben. Jeder Abgeordnete soll nach seinem Gewissen entscheiden dürfen.

Doch die Diskussion leidet unter einem fundamentalen Mangel. Die Politik traut den Eltern nicht. Selbst die Entwürfe, die eine PID zulassen, stellen hohe Hürden. Der Tod oder eine Fehlgeburt des Kindes müssen drohen, verlangen die einen. Und selbst die moderateren PID-Befürworter verlangen für die Straflosigkeit der Tests zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kind eine schwere Erbkrankheit droht. Warum? Aus Misstrauen gegenüber den Eltern.

Die Gewissensentscheidung, die das Parlament für sich reklamiert, wird den unmittelbar Betroffenen versagt. Zu Unrecht. Denn die Eltern, um die es geht, sind keine luxusorientierten Geschöpfe, die sich die perfekte Familie zusammenkaufen und fehlerhaftes Material aussortieren wollen. Es sind Menschen, die oft jahrelang versucht haben, auf natürlichem Weg ein Kind zu bekommen. Die sich dann, weil es nicht geklappt hat, für eine künstliche Befruchtung entscheiden. Bis das Verfahren erfolgreich ist, vergehen oft Monate, manchmal Jahre. Zeit, in der sich Hoffnung und Enttäuschung in schnellem Wechsel ablösen.

Menschen, die eine solche Tortur hinter sich haben, werden sich gut überlegen, ob sie die befruchtete Eizelle, die den Kern ihrer Familie bilden soll, vernichten lassen. Es müssen schon schwer wiegende Gründe sein, die Eltern zu einem solchen Schritt veranlassen. Etwa der, dass Menschen, die selber krank sind, ihrem Kind Leid ersparen wollen. Oder sie sehen, dass trotz aller Sonntagsreden die Integration Behinderter in dieser Gesellschaft nach wie vor nicht funktioniert. Menschen dürften sich nicht zum Richter über Leben oder Tod aufspielen, heißt es in der politischen Debatte. Doch die Politik maßt sich an, sich zum Richter über die Eltern aufzuspielen.

Hilfreich ist das nicht. Statt Hilfe anzubieten, zwingt die Politik die Betroffenen zu Fluchtreaktionen. Sie können die PID im Ausland vornehmen lassen. Oder die Frauen lassen den Embryo nicht im Reagenzglas untersuchen, sondern später im Mutterleib. Stellt sich dann heraus, dass das Kind schwere Behinderungen hat, kann die Mutter den Nachwuchs abtreiben lassen – legal, zeitlich unbegrenzt. Soll das besser sein? Wohl kaum.

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