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Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat den Rücktritt von seinen politischen Ämtern bekannt gegeben. Er wolle damit Schaden vom Ministeramt, von seiner Partei, den Soldaten aber auch der Wissenschaft abwenden, sagte Guttenberg vor Journalisten in Berlin.

© dpa

Kontrapunkt: Guttenbergs Rücktritt: Die Grenzen der Kraft

Der Anstand hat gesiegt, doch der Preis des Sieges ist hoch. Malte Lehming im "Kontrapunkt" über den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und die Folgen für Angela Merkel.

Ja, es waren auch Neid und Missgunst im Spiel. Zu Fall gebracht werden sollte ein herausragendes Talent, der seit Jahr und Tag mit Abstand beliebteste Politiker im Land, ein schöner Adliger, redegewandt, sympathisch, charismatisch, zupackend, entschlussfreudig. Und ja, es ging auch um Macht. An Karl-Theodor zu Guttenberg biss sich die Opposition ihre Zähne aus. Je härter sie auf ihn eindrosch, desto mächtiger wurde er. Zum Verzweifeln war das. Schon ohne einen Vergleich mit Guttenberg wirken die Genossen Gabriel, Steinmeier und Beck eher fade. In direkter Konkurrenz schrumpelten sie zu missgünstigen Zwergen. Und ja, es ging auch um ein Medienduell: die eher linksliberalen Zeitungen und Magazine gegen den rechtspopulistischen Boulevard (mit Ausnahmen hier und dort).

Doch zu Fall gebracht hat sich Guttenberg ganz allein. Er ist kein Opfer von Intrigen und Jägern mit niedrigen Beweggründen. Er ist kein gehetztes Reh, das die Meute schließlich erlegt hat. Sondern er ist an der ersten ernsthaften Krise seiner politischen Laufbahn gescheitert. Dabei wurde ihm nicht allein seine plagiierte Doktorarbeit zum Verhängnis, sondern vor allem sein Verhalten nach Bekanntwerden des Skandals. Dieses Leugnen des Offenkundigen als "abstrus", dieses Kokettieren mit den eigenen Fehlern ("hier steht das Original, nicht die Kopie"), diese trotzige Art und Weise, Reue nicht zu zeigen, sondern zu spielen. Fehler verzeiht das Volk, selbst grobe Fehler. Was es nicht verzeiht, sind Demutsposen, Ausflüchte und semantische Kniffs ("nicht absichtlich getäuscht").

Einen Guttenberg, wie man ihn dann heute sah, bei seinem Rücktritt, hätten sich viele schon vor zehn Tagen gewünscht. Ehrlich, persönlich, echt. "Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens", sagt er - und man glaubt ihm. "Ich habe die Grenzen meiner Kraft erreicht", sagt er - und man glaubt ihm. "An diesem Amt hing mein Herzblut", sagt er - und man glaubt ihm. Aber zu spät, zu spät. Einen Abgang à la Margot Käßmann macht man gleich oder gar nicht.

Es steckt Tragik in diesem Drama, das nun sein vorläufiges Ende fand. Die Grenzen zwischen Heiligen und Scheinheiligen, Gerechten und Selbstgerechten waren oft verschwommen. Und es hat Verletzungen gegeben. Die Wunden, die geschlagen wurden, mögen nun verheilen, jede Häme verziehen werden, jeder nachträgliche Spott unterbleiben. Recht und Gesetz sind nicht ausgehebelt, sondern zur Anwendung gebracht worden. Das Wertgefüge ist nicht zerbrochen, sondern erneuert worden. Guttenberg selbst ist noch jung. Ein Leben hat er hinter sich, viele andere vor sich. Deutschland ist an politischen Talenten zu arm, um es sich leisten zu können, auf einen wie ihn dauerhaft zu verzichten.

Für Angela Merkel wiederum beginnt die wohl härteste Zeit ihrer Kanzlerschaft. Denn mit Guttenberg verliert sie den letzten markanten Unionisten - im Jahr der vielen Landtagswahlen. Wer soll nun die Hallen füllen, Röttgen, Kauder, Pofalla? Guttenberg gab eben vielen Konservativen, ob zu Recht oder Unrecht, ein Stück ideologische Heimat. Die Sehnsucht danach lässt sich nicht einfach umprogrammieren. Inhaltlich hatte Merkel das Konservative bereits vor dem Fall Guttenberg entkernt. Nun steht sie auch personell ziemlich nackt da.

Der Anstand hat gesiegt, der Preis des Sieges ist hoch, verdammt hoch.

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