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Hatice Akyüns Kolumne: Sauerlands Abwahl: Von Duisburg lernen

In Duisburg, der Heimatstadt unserer Kolumnistin Hatice Akyün, wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Oberbürgermeister abgewählt: Adolf Sauerland. Ein Aufruf, nun mit anzupacken.

Meine Heimatstadt Duisburg hat Geschichte geschrieben. Zum ersten Mal wählten in der Bundesrepublik die Bürger einer Stadt ihren Oberbürgermeister ab. Und zwar überdeutlich, womit alle, die glaubten, das Abwahlverfahren aussitzen zu können, und auf die Politikverdrossenheit der Menschen gesetzt hatten, eines Besseren belehrt wurden.

Duisburg war schon einmal Gesprächsthema, zumindest für meine Generation. Das war 1981, als Götz George als Horst Schimanski in der Tatort-Reihe einen Duisburger Kriminalhauptkommissar mimte, den es so vorher noch nie im deutschen Fernsehen gab. Schimanskis Beliebtheit rührte daher, dass er sich die Spielregeln nach seiner Vorstellung zurechtbog, um gegen die Großen etwas für die Kleinen herauszuholen.

Bis zur Loveparade 2010 war der Duisburger Oberbürgermeister ein geachteter Mann. Die Duisburger ließen ihn gewähren, als er mithilfe eines sauteuren Unternehmensberaters den Haushalt zusammenstrich, die Stadt verwaltete, anstatt sie zu regieren, und mit bester Absicht den Niedergang von Duisburg sanft abzubremsen versuchte. Er hatte sich mit dem schweren Schicksal abgefunden und betrachtete das als ein Naturgesetz, dessen Symptome er zu lindern versuchte, aber der Krankheit nicht zu Leibe rücken vermochte. Als sich dann noch der bleierne Stillstand und die verwaltungsjuristische Sicht der Ereignisse um die Loveparade hinzugesellten, fragten sich die Duisburger, ob man denn zur Verantwortung tatsächlich erst per Gerichtsbeschluss gezogen werden muss.

Wie geht es nun weiter?, frage ich mich. Braucht es in Duisburg einen, der zu Fuß den Rhein überqueren kann, damit die Opposition reflexartig aufschreit, dass der nur zu faul zum Schwimmen ist? Duisburg hat als Autokennzeichen DU. Das bedeutet für mich, zuerst darüber nachzudenken, was ich für Duisburg tun kann, und nicht, was Duisburg für mich tun kann. Es gibt viele Beispiele aus anderen Kommunen, wie man Probleme gemeinsam löst. Transparenz ist das Stichwort. Die neue Oberbürgermeisterin, man verzeihe mir den feministischen Ausfall, wird die Verwaltung öffnen und für alle sichtbar die Karten auf den Tisch legen müssen. Konsolidieren ohne Investieren führt aber nicht zum Ziel. Die Bürger müssen ihrer Stadt unter die Arme greifen, mit Grips und Gemeinsinn. Duisburg braucht einen DU. Einen, der Verkrustungen aufbricht, ziemlich viel einstecken kann, keine Angst hat und viel ansteckende gute Laune mitbringt.

Naiv, sagen Sie? Vielleicht, aber gerade hat die eine Hälfte der Stadt der anderen gezeigt, dass Engagement ziemlich viel bewegen kann. Wenn nun die wahlenthaltende Hälfte auch aufwacht und die Agonie abschüttelt, wird sich Duisburg zwar nicht gleich morgen wie Phönix aus der Asche erheben, aber die Stadt hätte eine Zukunft. Einsicht ist die beste Voraussetzung für Weitsicht. Dass immer noch etwas geht, wenn man nur will. Es ist an der Zeit, zu zeigen, dass Demokratie von Demos stammt, dem griechischen Wort für Volk. Oder wie mein Vater sagen würde: „Bir elin nesi var, iki elin sesi var“ – was ist schon eine Hand, wenn zwei Hände einen Laut erzeugen können?

Die Autorin lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Berlin.

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