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Moderne Jakobiner: Im Grundgesetz steht nichts von einer Ökodiktatur

Künftige Generationen haben das Recht auf eigene Erfahrungen und eigene Fehler. Kernenergie, Steinkohle und bestimmte nicht nachhaltige Lebensstile lassen sich nicht einfach "unumkehrbar" aus der Gesellschaft verbannen.

Es ist der uneinholbare Vorzug der parlamentarischen Demokratie, dass jede Entscheidung bei anderen Mehrheitsverhältnissen rückholbar ist und es zu allem auch eine Alternative gibt. Sieht man einmal von den Grundentscheidungen des Grundgesetzes in Artikel 1 und 20 ab, also der Unantastbarkeit der Menschenwürde und dem föderalen Staatsaufbau, ist nichts für die Ewigkeit gemacht.

Künftige Generationen haben das Recht auf eigene Erfahrungen und eigene Fehler. Doch allmählich scheint auch diese Einsicht der Mütter und Väter des Grundgesetzes in den Parteien aus dem Blick zu geraten. Von der Kanzlerin weiß man seit langem, dass sie Alternativen nicht für nützlich erachtet, dass sie am liebsten alternativlos regiert. Ob Portugal-Hilfe, Griechenland-Rettungsschirm oder der Ausstieg aus der Kernenergie, abweichende Betrachtungen gelten der Kanzlerin als nicht nützlich.

Nun hat auch Umweltminister Norbert Röttgen die Kernenergie für nicht rückholbar erklärt, den Ausstieg aus ihr zum Teil der Rousseau’schen volonté general geadelt, von der abzuweichen gesellschaftsschädlich ist. Vor kurzem war es die Steinkohle, heute ist es die Kernenergie und morgen womöglich der Verbrennungsmotor, deren gesellschaftliche Fortdauer für ethisch untragbar erklärt wird. Nimmt man hinzu die Vorstellungen von Angela Merkels oberstem Klimaberater Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der das Parlament um einen ungewählten Zukunftsrat mit Vetorecht gegenüber künftigen Gesetzen ergänzen möchte, so hat man alle Tatbestandsmerkmale des Wohlfahrtsausschusses und alle Ingredienzien für eine Ökodiktatur.

Dass nichts davon mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist, stört die Wahrer des öffentlichen Wohls künftiger Generationen wenig. Schließlich, so eine Studie des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderung“ , sei die „Transformation zur Klimaverträglichkeit moralisch ebenso geboten wie die Abschaffung der Sklaverei und die Ächtung der Kinderarbeit“. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass Sklaverei und Kinderarbeit schon durch das Grundgesetz verboten sind, eine windige Veränderung der Lebensstile durch zwangsweise Umerziehung hingegen der freiheitlichen Grundordnung widerspricht, zumal wenn selbsternannte Eliten sie ohne demokratische Kontrolle ins Werk setzen.

Nach den Erfahrungen des „Dritten Reiches“ und dem Anschauungsunterricht in der werdenden Deutschen Demokratischen Republik hat das Grundgesetz sich zwar für eine Wertordnung entschieden, aber eine solche, deren gemeinsame Werte zuvor festgestellt und damit in den Verfassungswillen aufgenommen wurden. Das sollte ausschließen, dass Strömungen des Zeitgeistes nach Belieben Eingang finden. Wer Kernenergie, Steinkohle und bestimmte nicht nachhaltige Lebensstile unumkehrbar aus der Gesellschaft verbannen will, braucht dafür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und kann selbst dann nicht sicher sein, dass solche Entscheidungen nicht zwei Generationen später mit eben dieser Mehrheit wieder rückgängig gemacht werden.

Denn noch haben wir eine parlamentarische Demokratie der Regeln und keine jakobinischen Ökodiktatur des öffentlichen Wohls.

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