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Alexander S. Kekulé: Kein Goldrausch am Hindukusch

Ob die Bodenschätze Afghanistan wirklich nutzen, ist unklar.

Endlich einmal eine gute Nachricht aus Afghanistan: Die USA haben in dem bettelarmen Land Bodenschätze im Wert von einer Billion Dollar entdeckt. Mit den gigantischen Vorräten an Kupfer, Eisen, Gold, Uran und Lithium könne Afghanistan wirtschaftlich auf eigene Beine kommen, verkündete das Pentagon stolz. Vorbei wäre die Abhängigkeit vom Opiumexport und den Drogenbaronen der Taliban. Allein die Lithiumvorräte reichten aus, zitierte die „New York Times“ das US-Verteidigungsministerium, um Afghanistan zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ zu machen. In Kabul wird schon euphorisch gerechnet: Eine Billion für 29 Millionen Einwohner, das macht 34 482,76 Dollar pro Kopf, ein unvorstellbares Vermögen in der islamischen Republik. Nicht nur für Barack Obama, auch für Hamid Karsai ist die gute Nachricht innenpolitisch Gold wert.

Bei näherem Hinsehen steht allerdings noch keineswegs fest, ob es wirklich Gold ist, was die Amerikaner als Glanzleistung verkaufen. Dass das Land am Hindukusch reich an Bodenschätzen ist, war seit Jahrzehnten bekannt. Für ihre aktuelle Untersuchung stützten sich die US-Geologen auf alte Kartierungen der Sowjets, die bereits während der Besetzung in den 80er Jahren an den Erzen interessiert waren. Wegen der unwegsamen Geografie, fehlender Infrastruktur und politischer Instabilität hat es bis vor kurzem jedoch niemand gewagt, die vermuteten Schätze zu erschließen.

So richtig nahe gekommen sind auch die Amerikaner den unterirdischen Metalladern nicht. Das Pentagon stützt sich hauptsächlich auf Messungen, die seit 2006 von Flugzeugen und Satelliten aus durchgeführt wurden. Dabei sucht man zunächst auf Luftaufnahmen nach geologischen Formationen, die für Erzvorkommen typisch sind. Mit viel Glück findet sich aus der Luft ein „eiserner Hut“, das verwitterte Ende einer Erzader an der Oberfläche. Manchmal gibt auch die Spektralanalyse des von der Erdoberfläche reflektierten Lichtes einen Hinweis.

Etwas tiefere Einblicke in das Erdinnere geben Messungen der Schwerkraft und des Magnetfeldes. Über besonders kompakten Gesteinsschichten, beispielsweise Mineralien mit hohem Metallgehalt, ist die Schwerkraft geringfügig erhöht. Erze mit hohem Gehalt an Eisen oder Nickel verursachen lokale Verstärkungen des Erdmagnetfeldes. Etwa 70 Prozent Afghanistans wurden laut Pentagon vom Flugzeug aus vermessen. Man darf vermuten, dass in den restlichen Landesteilen die dafür notwendigen Tiefflüge zu gefährlich waren.

Im nächsten Schritt der Erschließung müssten die vermuteten Erzvorkommen jedoch vom Boden aus untersucht werden. Die Geologen müssten Sonden in die Erde bohren, um die elektrische Leitfähigkeit zu messen. Ist sie vermindert, so kann das beispielsweise ein Hinweis auf metallische Schwefelverbindungen sein. Zusätzlich wird durch seismische Kartierung die Lage der Gesteinsschichten anhand der Ausbreitung von Erschütterungswellen bestimmt. Informationen über den Gehalt seltener oder radioaktiver Elemente liefert die chemische Analyse von Gesteins- und Grundwasserproben. Um zu klären, ob ein Erzvorkommen wirklich ausgebeutet werden kann, sind schließlich Probebohrungen unumgänglich.

Zusätzlich werden für den Erzabbau große Mengen Elektrizität und gute Transportwege benötigt. In Afghanistan fehlt beides, es gibt keine Wasserwege und nicht einmal eine Eisenbahn. Rentabel sind deshalb nur Mammutprojekte, bei denen sich die Investitionen in die Infrastruktur auszahlen. China hat bereits die Rechte erworben, in der Nähe von Kabul gigantische Mengen Kupfer zu fördern. Auch das im Westen Afghanistans gefundene Lithium, das für moderne Akkus benötigt wird, dürfte Begehrlichkeiten rohstoffhungriger Staaten wecken.

Ob derartige Großprojekte die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern, darf bezweifelt werden. Wenn sich am Ende China, Russland und der Westen um die Rohstoffe streiten und die Menschen in staubigen Bergwerken für sich arbeiten lassen, wird sich so mancher Afghane nach den blühenden Mohnfeldern zurücksehnen.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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