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Klaus Wowereit hat das Bild von Berlin geprägt. Sein Nachfolger muss das erst einmal erreichen.

© dpa

Klaus Wowereit tritt ab: Dit is Bärlin - und wer kann es jetzt?

Der Regierende Bürgermeister geht - wer kommt jetzt? Klaus Wowereit mag man einiges ankreiden können, aber er verkörpert Berlin wie kaum ein anderer Politiker. Diese europäische Weltmetropole, die Martin Schulz lieber nicht regieren wollte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Mann wie Berlin. Groß im Großen, aber manchmal auch klein. Mit Ideen und Schnapsideen. Schnoddrig und kieksig, brillant aufgelegt und dann wieder so gelaunt, dass man wegrennen möchte. Dit is Bärlin. Das ist, das war Klaus Wowereit. Wer kann es jetzt, so sein und noch mehr, dass sich Berlin in ihm – oder ihr – wiederfindet? Dieses Berlin, die deutsche Hauptstadt, diese europäische, diese Weltmetropole. Ja, Berlin ist eine Liga mit New York, London, Paris, Rom. Und manchmal ein bisschen wie, sagen wir, Würselen.

Der, der mal Würselen regiert hat, eine kleine Stadt im Rheinland, und jetzt Präsident des Europa-Parlaments ist, Martin Schulz, der wollte ja nicht. Dabei ist Europa auch so was wie Berlin: vom Kiez bis zu großen Institutionen, und alle fühlen sich gleich wichtig. Da braucht es einen, der das alles ausgleichen kann. Und aushalten sowieso.

Klaus Wowereit hat eine Menge ausgehalten. Die Stadt ihn auch. Wäre er nicht so ein typischer Berliner, sie hätten ihm schon länger mal den Stuhl vor die Rathaustür gestellt. Arm, aber sexy, das klingt doch nur gut als Spruch, nicht als Programm. Berlin war zwischendurch fast pleite; da gab es Leute, die daraus ein Washington D.C. machen wollten, und einen Staatskommissar bestellen! Es war Wowereit, der das verhindert hat, mit seinem So- Sein, seinem Da-Sein. Zahlen lesen konnte er immer, und sparen auch. Die Lage war ernst und er viel ernsthafter, als er zu sein schien.

Klaus Wowereit hat eine Menge ausgehalten. Die Stadt ihn auch.

Ich brauch’ Tapetenwechsel, sprach die Birke, und macht sich in der Dämm’rung auf den Weg – das ist jetzt die aktuelle Lage in Berlin. Der alte Song von Hilde Knef, der Sünderin, auf wen passt er? Wer kann die Tapeten wechseln, wer weiß, wo jetzt was abgeht und wie es weitergeht?

Das Anforderungsprofil ist eins für einen Richard von Weizsäcker, mindestens, von Gestus und Habitus. Aber erstens gibt es so einen nicht, zweitens sind die achtziger Jahre ja auch schon wieder ein Jahrhundert her. Also? Jetzt muss es einer sein, der all die richtig erkannten, angefangenen Themen annimmt und weiterführt. Was ist ein Habitat 3.0, wenn nicht Mobilität, Sicherheit, Wohnen? Diesen Dreiklang nicht zu einem ständigen Missklang werden zu lassen, das ist die Herausforderung. Übrigens immer wieder neu.

Berlin braucht Tapetenwechsel? Ein Aufbruch wär’ schon recht.

Die Berliner haben es satt, nur schwer bezahlbare Wohnungen innerhalb des S- Bahnrings zu finden, sie haben die ewigen und vielen Staus und Baustellen satt, die die Stadt zwischen Ost und West teilen und dann auch noch vierteln, sie haben die Unsicherheit auf den Plätzen satt, alles das haben sie satt wie kalte Erbsen. Und sie haben ein Recht darauf, dass die Stadt, ihre Stadt, die so toll und verführerisch und teilzeit-anarchisch auf Touristen aus aller Welt wirkt, dass diese Stadt wie von Welt regiert wird.

Im Großen durch Kooperation mit den anderen  Metropolen, von denen sich lernen lässt, im Kleineren durch – genau, Kooperation, aber jetzt mit den Umlandgemeinden. Das große Miteinander zu organisieren, dazu Pläne aufeinander abzustimmen, um das Sparen nicht zu erleiden, sondern zu gestalten, damit Raum für eine Vision bleibt – und sei es Olympia. Berlin braucht Tapetenwechsel? Ein Aufbruch wär’ schon recht.

Als Klaus Wowereit antrat, 2001, war es so. Mit ihm brach die Stadt auf. Das ist die Erinnerung, die bleibt von 13, bald 14 Jahren. Was für eine Strecke er geschafft hat!

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