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1. Mai: Wer ehrt die Polizisten?

Am 1. Mai halten wieder tausende Polizisten in Berlin ihre Knochen hin - für uns. Doch keiner dankt es ihnen.

Jahr für Jahr werden in Berlin rund 3000 Polizisten im Dienst verletzt. Einige Verletzungen sind leicht, andere schwer. Prellungen, Frakturen, Gehirnerschütterungen, Knochenbrüche, Stich- und Brandwunden. Manches heilt schnell, anderes langsam, einiges nie. Traumatisierte Polizisten bleiben oft sich selbst überlassen. Angaben zur Selbstmordrate von Polizisten lehnen die zuständigen Ministerien in den meisten europäischen Ländern ab. Sie wissen, warum.

Die Zahl der verletzten Berliner Polizisten steigt kontinuierlich. Jedes Jahr sind es zwischen 100 und 200 mehr. Am vergangenen 1. Mai waren es mit 479 besonders viele. Aber auch der Einsatz in Problemkiezen, rund um Fußballstadien und im Rahmen der Rockerbandenkriege trägt dazu bei, dass Polizisten zunehmend Angst haben. Trotz maßloser Provokationen müssen sie gelassen bleiben, trotz brutaler Gewalt deeskalierend wirken, in Situationen äußerster Aggressivität die Ruhe bewahren. Vergütet wird ihnen das spärlich. Rund 2000 Euro brutto verdient ein junger lediger Polizeibeamter.

Wenn das Gehalt kaum als Entschädigung aufgefasst werden kann, wie steht es dann um die gesellschaftliche Anerkennung? Um es kurz zu sagen: Sie ist miserabel. Polizisten werden weniger als Garanten unserer Sicherheit wahrgenommen, gar geachtet, als dass sie ständig zur Rechenschaft gezogen werden – entweder sie haben überreagiert oder die Lage nicht im Griff gehabt, entweder sie zeigen keine Präsenz oder erinnern mit ihren Aufmärschen an autoritäre Regime. Recht machen sie es grundsätzlich niemandem. Die Polizei beschäftigt uns eigentlich nur dann, wenn sie versagt.

Ein ähnlich beschämendes Nichtverhältnis hatten viele Deutsche auch einmal zu ihrer Armee. Die Lehren aus der deutschen Geschichte schienen kühle Distanz gegenüber den Kräften der äußeren Sicherheit zu verlangen. Das hat sich zum Glück geändert. Den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan wird endlich Respekt gezollt, ihre Leistungen rücken ins Bewusstsein, ihre Schicksale werden beschrieben, Gefallene geehrt.

Es ist höchste Zeit, dass eine vergleichbare interessierte Aufgeschlossenheit den Polizisten widerfährt. Gerade in Berlin. Im Dienst für das Gemeinwohl werden sie auch an diesem 1. Mai wieder ihre Knochen hinhalten. Zu Hause bangt die Familie, vor Ort wird die Psyche belastet durch die lauernde Konfrontation mit Hass und Gewalt. Hinzu kommen ein unregelmäßiger Schichtdienst, eine zum Teil vollkommen veraltete Ausstattung, die Angst vor eigenem Fehlverhalten in hochkomplizierten Entscheidungslagen.

Ja, wir können und sollen stolz sein auf Grundgesetz und Demonstrationsfreiheit. Mindestens ebenso stolz aber sollten wir auf die Menschen sein, die diese Werte täglich ganz handfest verteidigen. Die Hundertschaft am Kottbusser Tor mag in ihren Schutzanzügen martialisch aussehen. Darunter aber stecken junge Menschen, Mütter, Väter. Wer ihnen ein Lächeln schenkt oder ein aufmunterndes Wort, stärkt die demokratische Zivilgesellschaft.

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