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Für Frank Henkel (CDU) wird es eine Feuerprobe: Sein erster 1. Mai als Innensenator steht bevor.

© dapd

Kontrapunkt: Was Berlins Innensenator am 1. Mai erwartet

Als Frank Henkel noch in der Opposition war, ätzte er gegen seinen Amtsvorgänger Ehrhart Körting. Jetzt muss er zeigen, dass er's besser kann.

In Berlin geht’s mal wieder drunter und drüber. Die Kriminalitätsrate steigt, Wohnungen werden geknackt wie noch nie, Fahrräder verschwinden, die Straßenverkehrsordnung scheint nicht mehr zu gelten, Investoren werden bedroht und verjagt, Autos brennen, Geschäfte werden gestürmt, und wenn nicht alles täuscht, werden die Feierlichkeiten zum 1. Mai eher ungemütlich, was aber nicht am Wetter liegt.

Was würde wohl Frank Henkel dazu sagen, wenn er nicht Innensenator wäre, sondern noch immer Oppositionsführer? Mindestens so was: „Es reicht! Legt den Brandstiftern das Handwerk! Wir brauchen endlich ein Sicherheitskonzept der null Toleranz! Linke Chaoten machen ganze Stadtteile unsicher, und einige Durchgeknallte wollen eine Kiez-Diktatur errichten, aber der Senat hat’s nicht im Griff!“

So etwas hat Henkel gesagt, als er noch nicht Senator war, gerne auch im Wahlkampf. Er hat den Eindruck erweckt, man müsse diese ganzen Autonomen und Anarchisten nur einfach mal einsammeln. Und nun, als Senator, hat denn jetzt er die Sache im Griff?

Es geht ihm da kaum anders als seinem Vorgänger Ehrhart Körting, über den Henkel einst geätzt hatte, er lasse in Kreuzberg „ein Bürgerkriegsszenario wie in Beirut“ zu. Es ist vieles unberechenbar, zumal rund um den 1. Mai. Das weiß Henkel, und deshalb ist er ruhiger geworden. Wenn’s gut geht, wird der Innensenator hinterher die Strategie feiern, die er vorher nicht hatte, und wenn’s schlecht geht, liegt’s an den Umständen, mindestens das.

Henkel hat sich aber noch auf eine andere Art abgesichert gegen übermäßigen Sach- und Personenschaden. Dafür bricht er sogar mit der Tradition seiner CDU-Vorgänger im Amt, bis auf Schönbohm allesamt schlachtlustige Scharfmacher: Lummer, Kewenig, Heckelmann, Werthebach – da scheppert’s im Gedächtnis.

Nein, Henkel hält sich an einen anderen, einen Sozialdemokraten, an – ausgerechnet – Ehrhart Körting, der doch angeblich Kreuzberg einst beirutisierte. Auf Kontinuität wolle er setzen, erklärte jetzt Henkel, und er fügte hinzu: Es sei nicht sein Anspruch, hier zu experimentieren. Damit hat er sich einen größtmöglichen Rettungsschirm aufgespannt – bei Krawall war’s Körting, bleibt’s weitgehend ruhig, ist’s seiner Besonnenheit geschuldet. Nicht alles anders, aber vieles besser: Damit kann man sogar Regierender Bürgermeister werden.

Wenn es gut geht. Aber es spricht einiges dagegen. Das liegt auch daran, dass die Autonomen seit langer Zeit mal wieder die Chance sehen, klammheimliche Sympathie bei Leuten zu finden, die es sonst nicht so doll finden, dass der Schwarze Block ihnen den Kiez zerdeppert.

Das liegt zum einen am großen Thema Gentrifizierung, das auch das Motto der Abenddemonstration wird. Die Stadt verändert sich schnell, für viele nicht zum Guten. Der Senat hat dazu bisher kaum mehr als Worte gefunden, und das ist vielen Menschen zu wenig. Und zum anderen liegt das am Versuch, den Protest – in welcher Form auch immer – nicht allein in Kreuzberg auf die Straße zu tragen, sondern das auch in Mitte und Wedding zu tun.

Aufgerufen wird zu den „Insurrection Days“, und das Spektrum der als geeignet erscheinenden Maßnahmen ist breit. So heißt es, es sei egal, ob man nun einen Bundesstaatsanwalt kidnappt oder das erste Mal bei Aldi klaut, Hauptsache, es gibt Ärger. Das klingt gaga wie vieles, aber bei historisch gebildeten Kreuzbergveteranen klirren bei der Kombination 1. Mai und Supermarkt die Scheiben: Vor genau 25 Jahren hat sich Bolle mal gar nicht köstlich amüsiert. Da ist Bolle nämlich abgebrannt, und zwar am Görlitzer Bahnhof. Es war die erste echte Mai-Randale.

Wo Bolle war, steht heute eine Moschee. Das ist zwar nichts für Henkel. Aber ein bisschen beten kann für einen CDU-Senator in so einer Situation nicht schaden.

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