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Fraglicher Urlaubstrend: Sollen Kinder künftig zu Hause bleiben?

© dpa

Kontrapunkt: Zutritt für Kinder verboten

Reiseveranstalter und Hotels werben mit Urlaub ohne Kinder. Urlaub ohne Alte oder Übergewichtige oder Hässliche könnte es morgen heißen. Interessanterweise bleibt der Mensch gerade im Internetzeitalter lieber unter seinesgleichen.

Es geschah vor vier Jahren. Gemeinsam mit Frau und Kind wollte sich der Sänger Peter Maffay ein Hotelzimmer auf Mallorca anschauen, im „Hotel Vanity“ in Port de Alcudia. An der Rezeption wies man ihn ab. Kein Zutritt für Kinder. Nicht mal zu Besuch. Der kleine Junge war verstört. Er sei nicht böse, murmelte er immer wieder. Doch darum ging es nicht. Die Maffays waren in ein „Adults-only-Hotel“ geraten, Zutritt nur für Erwachsene.

Seit vielen Jahren brummt diese Branche. Die Nachfrage ist groß. Ob bei Iberostar oder der Hotelkette Riu: kinderfrei entspannen ist ein Urlaubstrend. Auch deutsche Hoteliers und Reiseveranstalter haben sich auf die Zielgruppe der Kindervermeider spezialisiert. Endlich mal kein Lärm am Pool, kein Gekleckere am Buffet, kein Zankgebrüll, stattdessen Ruhe pur, dösen bis zum Nickerchen, gepflegtes Abendessen im Kreise von Gesitteten.

Peter Maffay war empört. Man stelle sich eine derartige Diskriminierung aus anderen Gründen vor, sagte er. Nationalität, Hautfarbe, Religion, Geschlecht. Doch verbieten lassen sich „Adults-only-Hotels“ nicht. Man kann sie lediglich boykottieren. Ein privater Betreiber darf frei darüber entscheiden, wen er als Gast aufnimmt. Das Prinzip des Grundgesetzes und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), wonach niemand aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden darf, gilt nicht unmittelbar zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Das hat zuletzt der Bundesgerichtshof im Fall des Ex-NPD-Chefs Udo Voigt bekräftigt, dem in Bad Saarow Hausverbot erteilt worden war.

Urlaub ohne Kinder heißt es heute. Urlaub ohne Alte oder Übergewichtige oder Hässliche könnte es morgen heißen. Denn weniger die besondere Kinderfeindlichkeit ist es, die diesen Trend begründet, sondern die zunehmende Spezialisierung der Anbieter sowie die Abschottungsneigung vieler Erholungssuchenden. Singles, Wanderer, Wellness, Familien – „special interest“ befriedigt das Bedürfnis nach der Exklusivität von Gleichgesinnten. Befördert wird es außerdem von der demografischen Entwicklung. Wenn bald ein Drittel der Deutschen älter ist als 65, während die Geburtenrate niedrig bleibt, dominieren die Interessen der Senioren.

Interessanterweise nehmen Abschottungstendenzen gerade im Internetzeitalter zu. In jeder Minute werden weltweit mehr Mengen an digitaler Information produziert (rund 1800 Terabytes), als zum Beispiel die Library of Congress beherbergt. Aber das „Cocooning“ – das ist der Fachbegriff für die ideologische Einigelung – der Nutzer führt dazu, dass Linke und Rechte mit ihren Ansichten unter sich bleiben. Man liest, was man mag. Man meidet das ideologisch Fremde.

Kein Atheist besucht je eine Kirche, kein Salafist geht zum CSD. Die Kiezorientierung im täglichen Leben wird sowohl in die Freizeit (den Urlaub) übertragen als auch in die Medienwelt. Deutsche Journalisten etwa verorten sich politisch mehrheitlich links. 36 Prozent präferieren die Grünen (unter Journalistinnen sogar 41 Prozent), nur neun Prozent die CDU. Und wer hat Einfluss auf die Journalisten? Am stärksten (zu zwei Dritteln) sind es medieninterne Faktoren, also im Wesentlichen die Kollegen im eigenen Betrieb. Man schmort überwiegend im eigenen Saft. Das erklärt, gerade bei personenbezogenen Affären (Guttenberg, Wulff, Grass), die Rudelmentalität. Plötzlich wundert sich das Publikum, dass es von überallher ähnlich tönt.

Zutritt verboten! Urlaub ohne Kinder ist wie Betreuungsgeld ohne Befürworter, Energiewende ohne Gegner, Grass-Gedicht ohne Liebhaber. Die Wirklichkeit wird aufs eigene Wohlfühlen reduziert, alles Störende ausgeblendet. Wir bewegen uns in globalen „gated communities“. Kein Gör kleckert am Buffet, nichts Unangenehmes dringt ins Ohr oder gar ins Bewusstsein. Seltsam nur: Über dieser schönen neuen Welt liegt eine traurige Melancholie.

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