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Libor-Skandal: Geschäfte in der Blackbox

Fünf Jahre nach Lehman ist von einem Kulturwandel im Bankgeschäft nichts zu spüren. Die ungleiche Informationsverteilung zwischen Banken und Kunden bleibt eine Einladung zum Missbrauch. Eine Analyse.

Die Dienstleister des Geldes tun alles, um ihr Gewerbe in Verruf zu bringen. Hatte man gehofft, nach der Banken- und Finanzkrise seien die Banker aus Schaden klug geworden, lehren uns neue Skandale etwas anderes: Libor-Zins, Goldpreis, Währungen – kein Markt, auf dem Banker nicht ihr Unwesen treiben. Immer noch, immer wieder.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Trickreiche (und betrügerische) Geldhändler haben die Steuerungsinstrumente des Marktes manipuliert. Sie haben an der Zinsschraube gedreht, den Goldpreis poliert, mit Währungen jongliert. Keine Kleinigkeiten. Der Libor- Zins ist Referenz für andere Zinssätze, bis hin zum kleinen Verbraucherkredit. Gold genießt – trotz Preisverfalls – den Ruf, eine solide Anlage zu sein. Währungen sind das Schmiermittel der Globalisierung; 5,3 Billionen Dollar setzen Devisenhändler täglich um. Eine unvorstellbare Summe.

Deutsche Bank bei fast jeder Ungeheuerlichkeit dabei

Gerade die Abstraktheit, das Unerklärbare, Überdimensionale sind es, die die Bankenwelt zur Blackbox für die Öffentlichkeit machen. Komplexe Abläufe und Abhängigkeiten, deren Bedeutung der Laie erahnen kann, deren tatsächliche Funktionsweise aber nur die Profis verstehen. Die ungleiche Informationsverteilung ist eine Einladung zum Missbrauch. Erst recht, wenn die Gesetze lasch, die Aufseher nachlässig, die Kunden gutgläubig und die Profis kriminell sind. Vertrauen in ein Produkt oder die Dienstleistung einer Bank (oder Sparkasse) wächst in dem Maße, wie die Mitarbeiter vertrauensvoll mit ihren Kunden umgehen. Kommt zu den Manipulationen auf anonymen Märkten die Arroganz eines Beraters hinzu, ist das Vertrauen weg. Und die Kunden bald auch.

Auffällig ist, dass die Deutsche Bank bei fast jeder Ungeheuerlichkeit dabei ist – mutmaßlich oder rechtskräftig. Die Bank hat eine derart lange Liste juristischer Streitfälle zu bearbeiten, dass man sich fragt, wann das Management noch Zeit für das operative Geschäft findet. Und ob die vier Milliarden Euro an Rückstellungen ausreichen, wenn schon die Libor-Strafe 725 Millionen Euro beträgt. Kirch, Zinswetten, CO2-Zertifikate, US-Hypotheken – Anshu Jain und Jürgen Fitschen haben sicher nicht alles persönlich zu verantworten, was der Bank vorgeworfen wird. Sicher ist aber, dass der „Kulturwandel“, den sie einleiten wollten, eine Worthülse geblieben ist.

Immer noch, immer wieder - fünf Jahre nach der Lehman-Pleite

Im Streit mit den Erben von Leo Kirch könnten amtierende und ehemalige Vorstände sogar mit dem Vorwurf konfrontiert werden, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Es wäre dennoch falsch, alles Böse automatisch beim Marktführer zu vermuten, wie in dem Ackermann-Reflex, der den Ex- Chef der Deutschen Bank traf. Den Kulturwandel hat die gesamte Branche nötig.

Immer noch, immer wieder. Dass diese Diagnose auch fünf Jahre nach der Lehman-Pleite gilt, ist der eigentliche Skandal. Die regulatorischen Freiräume hat die Branche genutzt, um in die eigene Tasche zu wirtschaften. Wolfgang Schäuble hat recht: „Die Kreativität der Banken, die Regulierung zu umgehen, ist weiterhin groß.“ Mancher Banker meine, es reiche nun mit der Regulierung. Nicht nur der Libor-Skandal zeigt: Es reicht noch nicht.

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