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Viele Menschen mögen Schnapszahl-Daten - auch Heiratswillige.

© dpa

Magie der Mathematik: Warum der Glaube an die Schnapszahlen sinnvoll ist

Die Fakultät für rationales Denken ist zwar ein Teil des Gehirns, doch er wurde in der Entwicklungsgeschichte des Menschen erst spät angebaut. Hartmut Wewetzer erklärt, warum uns der 11.11. Glück bringt.

Schnapszahlen bringen Glück. Das ist der Grund, warum sich heute, am 11. 11. 2011, besonders viele Paare im Standesamt das Jawort geben. Bei einem Schnapszahl-Hattrick kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Die Ehe ist gewissermaßen mathematisch abgesichert. Ein Spielverderber, wer daran erinnert, dass dieser Tag im islamischen Kalender auf den 14. 12. 1432 fällt, im jüdischen auf den 14. 8. 5772 und im französischen Revolutionskalender auf den 20. des Nebelmonats 220. Zahlen, zumindest die im Kalender, sind eben Schall und Rauch. Oder Nebel.

Trotzdem glauben wir an sie. An unsere Glückszahl etwa. Oder daran, dass am Freitag, dem 13. (oder im 13. Stockwerk), etwas Schlimmes passieren kann. In Zahlen manifestiert sich nicht nur der alltägliche Aberglaube, sondern auch der religiöse Glaube: von der Heiligen Dreifaltigkeit des Christentums über die antiken Weltwunder, die der „vollkommenen“ Zahl sieben entsprachen, bis hin zur Zahlenmystik der Kabbala.

Vernünftig im modernen, aufgeklärten Sinn ist all das Gedöns um Zahlen nicht. Vielleicht aber ist es nicht ohne Hintersinn, wenn man sich die Entwicklung des Menschen anschaut. Unser Gehirn gilt gemeinhin als Denkorgan, aber das ist nicht seine Hauptaufgabe. Die besteht ganz allgemein darin, das Überleben und die Vermehrung des Gehirnbesitzers sicherzustellen. Die Fakultät für rationales Denken ist ein später Anbau, den man nur über mühsame Umwege erreicht. Zum Standardtext von Prominenten-Interviews gehört jener Abschnitt, in dem über den Mathematik-Unterricht geklagt wird.

Genau genommen ist das Gehirn kein Denk-, sondern ein Glaubensorgan. Es münzt den Input aus der Umwelt in innere Überzeugungen um. Intuition und Instinkt haben Vorrang. Glauben müssen wir fast alles. Dass morgen wieder die Sonne aufgeht, die Welt aus Atomen besteht und Angela Merkel den Euro rettet. Das alles klingt mehr oder weniger vernünftig. Was aber hat es mit dem mysteriösen 11. November 2011 auf sich?

Unser Gehirn ist nicht nur auf Glauben, sondern auch auf Bedeutung gepolt. Es ist darauf geeicht, einem Phänomen in unserer Umwelt eine Ursache zuzuordnen. Das Rascheln der Schlange im Gras hat dem Menschen der Steinzeit Gefahr signalisiert und ihn sofort die Flucht ergreifen lassen. Nachdenken wäre tödlich gewesen. Damit geht einher, dass das menschliche Nervensystem fantastisch darin ist, Muster zu erkennen. Die Augen des Tigers im Busch, die Spur des Wildschweins in der Steppe: Muster. Ursache und Wirkung. Wer sie deutet, überlebt. Und dann hat er eine Chance, sich zu vermehren.

Wenn wir dem Computer gut zureden oder Sternschnuppen eine persönliche Bedeutung beimessen, dann deuten wir die Umwelt und ihre Muster auf magische Weise. „Vernünftig“ ist das nicht. Aber es kann ungemein beruhigen und der Welt ein Quäntchen Sinn verleihen. So wie der 11. 11. 11. Sein „Muster“ schreit geradezu nach einer Deutung. Schön, dass dieser Tag Glück bringt!

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