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Martenstein-Kolumne: Was NSU und RAF gemeinsam haben

Manche Leute bringt es auf die Palme, wenn man den Terrorismus der RAF und ihrer Nachfolger mit dem Terrorismus der Zwickauer Neonazi-Zelle NSU vergleicht. Warum? Jeder Mord ist gleich verwerflich, meint Harald Martenstein.

Bei den Olympischen Spielen in München starben elf jüdische Sportler, infolge eines Terroranschlags. Hinterher veröffentlichte die „Rote Armee Fraktion“ eine Erklärung, in der sie den Anschlag als „antifaschistisch“ bejubelte. Seitdem ist bewiesen, dass der politische Wahnsinn, der viele Gesichter hat, auch das Gesicht des Antifaschismus annehmen kann.

Manche Leute bringt es auf die Palme, wenn man den Terrorismus der RAF und ihrer Nachfolger (34 Tote) mit dem Terrorismus der NSU (zehn Tote) vergleicht. Warum? Darüber, dass jedes Leben gleich viel wert ist, und jeder Mord gleich verwerflich, sollte man sich eigentlich verständigen können. Ist das ideologische Mäntelchen, das man seinen Morden umhängt, von so großer Bedeutung? In den RAF-Mördern sehen noch heute viele Linke verirrte Familienmitglieder, sie haben – anders als die Nazis von der NSU– einen ideologischen Bonus.

Der Gedanke, dass es verwerflich sein könnte, mit Andreas Baader ins Bett zu gehen, ist damals nicht sehr verbreitet gewesen, im Gegenteil. Baader war ein Sexsymbol. Über die Berechtigung der RAF-Morde wurde im Audimax ernsthaft diskutiert. In einer Studentenzeitschrift äußerte jemand „klammheimliche Freude“ über den Buback-Mord, der Philosoph Jean-Paul Sartre besuchte Baader im Knast. Was wäre heute wohl los, wenn Peter Sloterdijk Beate Zschäpe einen Besuch abstattete?

Bildergalerie: Gedenken an die Mordopfer der NSU

Neben der Blutspur der NSU-Bande gibt es eine große Zahl von rechten Morden, die von einem unorganisierten Mob verübt wurden. Links war das nicht der Fall, soweit die Unterschiede. Ich finde, dass man RAF und NSU durchaus vergleichen kann. „Wir sagen, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen“ – dieser Satz von Ulrike Meinhof kann es mit jedem Satz von Joseph Goebbels aufnehmen. Aus den Jahren der RAF folgt für mich, dass man sich vor Verharmlosung genauso hüten muss wie vor Hysterie und maßloser Verdächtigung. Sartre hatte das Recht, Baader zu besuchen, es machte ihn nicht automatisch zum Komplizen.

Nach dem Tod von Baader, Ensslin und Raspe formierte sich in Stuttgart eine Volksbewegung. Bürger, die sich für ehrenwert hielten, verlangten, dass die Toten nicht in ihrer Stadt bestattet werden dürften. Man solle sie wie Müll entsorgen. Offenbar herrschte die Angst, tote Terroristenkörper könnten die Stuttgarter Erde vergiften, der erste Fall von Ideologieübertragung durch Körperkontakt. Der CDU-Oberbürgermeister Manfred Rommel setzte die Bestattung, gegen den Widerstand seiner Partei, mit dem Satz durch: „Nach dem Tod endet jede Feindschaft.“ Das gilt immer.

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