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Messias gesucht: Gottes Wille, Israels Grenzen und die Palästinenser

Die Vorstellung, dass Gott nichts Besseres zu tun hat, als sich in seinem Himmel über die Landesgrenzen seines Lieblingsvolkes Gedanken zu machen, gehört zu den besonders bizarren Ausprägungen von religiösem Wahnsinn, meint Harald Martenstein. Und betet für Israel.

Einer der eindrucksvollsten Menschen, die ich getroffen habe, war der Gewerkschafter und Trotzkist Jakob Moneta. Er ist vor ein paar Jahren gestorben, mit Mitte neunzig. Moneta war in der frühen Bundesrepublik ein mächtiger Mann, bei der IG Metall, und als Kopf der unabhängigen Linken, die mit den Kommunisten nichts am Hut hatten, aber denen die SPD zu kapitalismusfreundlich war.

Moneta war Jude. In den 40er Jahren lebte er in Palästina, Tel Aviv, saß zeitweise im gleichen Knast wie der spätere General Moshe Dayan, die Gründung von Israel hat er miterlebt. Er konnte viel davon erzählen, wie man den Palästinensern ihr Land abgenommen hat, wenn es nötig war, auch mit Gewalt. Das wollte er, als Marxist, nicht mitmachen. Von ihm, dem Sohn eines Rabbiners, weiß ich, dass ultrareligiöse Juden glauben, die Grenzen des Staates Israel seien von Gott persönlich gezogen worden. Die sogenannte Westbank, das Restgebiet der Palästinenser, gehört nach Gottes Wille dazu. Da gibt es natürlich nichts zu verhandeln.

Die Vorstellung, dass Gott nichts Besseres zu tun hat, als sich in seinem Himmel über die Landesgrenzen seines Lieblingsvolkes Gedanken zu machen, gehört zu den besonders bizarren Ausprägungen von religiösem Wahnsinn. Dieser Wahnsinn regiert zur Zeit Israel. Deshalb werden die Grenzen permanent, Schritt für Schritt, mit Gewalt oder ohne, nach vorne geschoben. Ein Anlass findet sich immer. Die neu besiedelten – im Klartext: eroberten – Gebiete werden mit einer Schutzmauer umgeben. Jetzt beginnt man, das Restgebiet der Araber in der Mitte zu durchtrennen. Damit wird jeder Gedanke an einen Staat Palästina zur Illusion. Und natürlich wird es so niemals Frieden geben, nur den totalen Sieg der einen oder anderen Seite. Denn dass zwei Völker Frieden schließen, solange das eine immer wieder Dörfer und Städte auf dem Gebiet des anderen errichtet, nun, das ist wohl ausgeschlossen. Es ginge selbst dann nicht, wenn die Palästinenser Israel morgen voll und ganz anerkennen. Welches Israel denn? Wo die Grenzen Israels liegen, kann kein Vertrag der Welt regeln, es liegt allein in Gottes Hand.

Kürzlich war ich wieder einmal in Tel Aviv. Die Stadt wirkt ärmer und heruntergekommener als vor ein paar Jahren, Mieten und Preise können Normalverdiener kaum noch bezahlen. Die Zahl der Religiösen wächst, sie haben viele Kinder. Ein mächtiges Land, das seine Grenzen nach eigenem Geschmack festlegt – manchmal klappt das. Aber Israels Macht ist zu großen Teilen von seinen Verbündeten geborgt, die es hochmütig zu behandeln pflegt und deren Laune immer schlechter wird. Eigentlich kann man nur beten. Vielleicht hat Gott ein Einsehen, und schickt einen zweiten Nelson Mandela, als Messias.

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