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Umbruch in Ägypten? Mursi hat den herrschenden Militärrat entmachtet.

© Reuters

Mursi setzt Militärrat ab: Der Rest der Revolution in Ägypten

Die Entmachtung der Militärs in Ägypten ist die Voraussetzung für Demokratie. Daher sind die Ägypter vieler Couleurs in dieser Stunde so einig wie lange nicht mehr: Die Entscheidung Mursis war richtig.

Mohammed Mursi hat es gewagt – und gewonnen. Der ägyptische Präsident hat den herrschenden Militärrat entmachtet. Damit wird der Volksaufstand in Ägypten, der nach dem Sturz Hosni Mubaraks in den Fängen der Armee stecken geblieben war, doch noch zur Revolution. Eine wahre Demokratie rückt in greifbare Nähe. Genau dafür haben viele Revolutionäre auf dem Tahrir-Platz, insbesondere die säkularen Gruppen, bis heute kompromisslos gekämpft: Vom Volk gewählte Zivilisten, nicht Militärs sollen im neuen Ägypten das Sagen haben.

Daher sind die Ägypter vieler Couleurs in dieser Stunde so einig wie lange nicht mehr: Die Entscheidung Mursis war richtig. Und sie war geschickt eingefädelt und umgesetzt.

Die Muslimbrüder sind Polit- Profis, die taktieren können, um ihre Ziele zu erreichen. Wie lange war darüber diskutiert worden, ob sie mit den Militärs unter einer Decke stecken. Gerade die Beibehaltung von General Tantawi als Verteidigungsminister musste als Beweis dafür herhalten. Jetzt ist klar: Sie scheuen den offenen Machtkampf nicht, sprachen sich aber in Hinterzimmern mit jüngeren Militärs ab, verteilten Medaillen und Beraterposten und vermieden den offenen Bruch. Und sie warteten auf den geeigneten Augenblick, jetzt nach den Sinai-Anschläge, als das Militär ganz blass aussah. All dies zeugt von politischem Gespür und politischer Professionalität, die beeindrucken.

Video: Mursi setzt Militärspitze ab

Der Westen schweigt oder murmelt besorgte Worte – obwohl Mursi das tut, was nötig ist. Aber die Angst vor den Muslimbrüdern ist im Westen immer noch groß. Das Militär als undemokratischer Aufpasser kam ihm da zupass. Amerikaner und Israelis verlieren zudem ihre Hauptansprechpartner und müssen nun wohl direkt mit dem islamistischen Präsidenten kommunizieren. Das Unwohlsein ist diesmal allerdings gerechtfertigt. Denn der Präsident zieht mit der Entmachtung der Militärs deren gesamten Vollmachten auf sich – darunter derzeit auch das Recht auf Gesetzgebung, da das Parlament aufgelöst wurde.

Damit hat Mursi zumindest auf dem Papier ebenso viel Macht wie der gestürzte Mubarak. Eigentlich eine Horrorvorstellung. Den Versicherungen, dass man diese Macht nur notgedrungen vorübergehend ausüben wird, muss man nicht glauben. Aber die Ernennung des unerschrockenen Richters Mahmud Mekki zum Vizepräsidenten, also zur Nummer zwei im Staat, ist ein deutliches Signal: Mekki hat seit Jahren auch gegen seinen eigenen Mubarak-treuen Richterverband für die Unabhängigkeit der Judikative und die Überwachung der Wahlen durch Richter gekämpft. Dafür stand er 2005 vor Gericht.

Die Ernennung Mekkis, dessen Bruder ebenfalls gegen den Willen des ewiggestrigen Richterverbandes Justizminister wurde, soll signalisieren, dass Mursi und die Muslimbrüder sich an die demokratischen Regeln halten wollen. Der Alleinherrscher Mubarak hielt es übrigens dreißig Jahre lang nicht für nötig, einen Stellvertreter zu ernennen.

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