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Neue europäische Ostpolitik: Wie Angela Merkel Präsident Putin in die Schranken weist

Russland übt massiven Druck auf seine Nachbarländer wie Ukraine oder Georgien aus, weil die eine Annäherung an die Europäische Union anstreben. Die Kanzlerin macht nun deutlich, dass sie das nicht länger hinnehmen will - und setzt Präsident Putin unter Druck.

Was haben Käse aus Litauen, Wein aus der Republik Moldau und ukrainische Pralinen gemeinsam? All diese Produkte hat Russland vor kurzem mit Einfuhrverboten belegt – wegen angeblicher Gesundheitsgefahr. Doch in Wirklichkeit macht Moskau mit diesen Sanktionen Politik. Denn die Ukraine, Moldau und auch Georgien haben Verträge ausgehandelt, die eine Annäherung an die Europäische Union begründen sollen.

Das wäre ein historischer Schritt für diejenigen Staaten, in denen die alte Teilung Europas in Ost und West noch spürbar ist – und auch für uns, in deren Wahrnehmung Europa oft spätestens an der polnischen Ostgrenze endet. Um nicht weniger als das geht es beim EU-Gipfel mit den Staaten der Östlichen Partnerschaft Ende kommender Woche im litauischen Vilnius.

Auch aus russischer Sicht ist eine Annäherung dieser Länder an Europa ein historischer Einschnitt. Schließlich betrachtet Moskau nach dem Zerfall der Sowjetunion die Ukraine und Weißrussland, Moldau und Georgien, Armenien und Aserbaidschan nach wie vor als Staaten, die zur russischen Einflusssphäre gehören. Doch wer nur in Einflusssphären denkt und dem Weltbild des Kalten Krieges verhaftet bleibt, missachtet die Unabhängigkeit der betroffenen Länder.

Merkel bietet Russlands Nachbarn Hilfe an

Sollen sie etwa nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie eine Partnerschaft mit der EU wünschen? Genau das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung betont und damit viel deutlicher auf den russischen Druck reagiert, als die EU dies bisher getan hat. Ein Vetorecht Dritter könne es nicht geben, sagte die Kanzlerin. In der Sprache der Diplomatie ist das eine scharfe Zurechtweisung. Merkel ging aber noch weiter und bot den von Russland bedrängten Ländern Hilfe an – beim Absatz ihrer Produkte und sogar bei der Energieversorgung. Deutschland stellt sich damit demonstrativ hinter die Staaten, die Moskau unter Druck setzt. Damit zeigt die Kanzlerin, dass sie Präsident Wladimir Putins brachiale Durchsetzung geopolitischer Interessen nicht länger schweigend duldet.

Angela Merkel und der russische Präsident Putin.
Merkel zeigt, dass sie Präsident Putins brachiale Durchsetzung geopolitischer Interessen nicht länger schweigend duldet.

© dpa

In der russischen Lesart will „der Westen“ (den es so längst nicht mehr gibt) seine Einflusssphäre nach der Erweiterung von Nato und EU erneut nach Osten ausdehnen. Russland übt deshalb massiven Druck auf seine Nachbarn aus – selbst auf das kleine EU-Mitglied Litauen, das den Gipfel ausrichtet –, um die Annäherung an die EU zu verhindern. Putin träumt von einer Eurasischen Union, verfügt aber bisher nur über eine Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan.

Wie ernst nimmt die EU die Partnerschaft?

Moskau lässt keinen Zweifel daran, dass die Einfuhrverbote erst der Anfang der Sanktionen sind: Für den Fall, dass die Ukraine das Abkommen mit der EU unterzeichnet, droht Russland indirekt mit Strafzöllen. Und in Moldau sagt der russische Vize-Premier, er hoffe, man werde dort im Winter nicht frieren. Diese Drohung wurde in dem kleinen Land, dessen Energieversorgung von russischem Gas abhängig ist, sehr genau verstanden. Auch die Ukraine muss um ihre Gaslieferungen fürchten, der russische Konzern Gazprom betont, das Land habe seit Monaten nicht gezahlt. Moskaus Machtspiel hat in einem Fall bereits Erfolg: Armenien verzichtet auf das Abkommen mit der EU und schließt sich der Zollunion an. Und das Zögern des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, die Bedingungen für das EU-Abkommen zu erfüllen, deutet auch darauf hin, dass seine Besuche in Moskau Wirkung zeigen.

Für die neue Partnerschaft müssen die beteiligten Länder viele Reformen in Angriff nehmen, weil sie auch eine Annäherung an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ist. Aber nimmt die mit sich selbst beschäftigte Europäische Union diese Partnerschaft ebenso ernst? Wer die Annäherung wirklich will, muss selbst mehr dafür tun – Merkels Versprechen, die künftigen Partner nicht im Stich zu lassen, ist daher ein wichtiges Zeichen, vielleicht sogar ein Wendepunkt. Russland muss von dieser Partnerschaft keineswegs ausgeschlossen werden, sofern es sich nicht selbst ausschließt. Merkels Worte könnten der Anfang einer neuen europäischen Ostpolitik sein.

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