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Im Unruhestand: Hartmut Mehdorn.

© dpa

Neuer BER-Chef Mehdorn: Der "kleine Dicke" muss es richten

Nein, den Mehdorn mögen die Deutschen nicht so richtig. Ziemlich gut im Rennen um den Titel "meistgehasster Manager" lag er während seiner Zeit bei der Bahn. Seine Arbeit ist umstritten. Unbestritten ist allerdings: Air Berlin geht es heute viel besser als vor seinem Antritt. Dass Hartmut Mehdorn nun zum BER geht, zeigt auch: Die Lage dort ist ernster als gedacht.

Der Entschluss, Hartmut Mehdorn mit der Lösung des größten Problems der deutschen Hauptstadt zu beauftragen, ist so absurd wie naheliegend und richtig zugleich. Absurd. Natürlich. Es hat viel von Realsatire, mancher dürfte beim Hören der Nachricht erst in den Kalender geschaut haben: Sind es wirklich noch drei Wochen bis zum 1. April?  Mehdorn lag im Rennen um den Titel „meistgehasster Manager des jungen Jahrtausends“ stets Kopf an Kopf mit Josef „Victory-Zeichen“ Ackermann von der Deutschen Bank.

Zum Vergleich: Die Bundespost wurde einst zerschlagen in Post, Postbank und Telekom. Die gelbe Post betreibt heute quasi keine eigenen Filialen mehr, die Telekom ist mit ihrem Börsengang Millionen Kleinanlegern ans Vermögen gegangen, die Postbank ist nur noch ein Anhängsel der Deutschen Bank. Auch das war brutal. Aber wer erinnert sich noch an die Namen der Verantwortlichen?

Mehdorn kennt fast jeder. Er wurde in zehn Jahren als Bahn-Chef ab 1999 zur Symbolfigur des schmerzvollen Wandels von der Old zur New Economy. Agenda-Kanzler Gerhard Schröder hatte den Manager aus der Luftfahrt, Maschinenbau- und Energiewirtschaft zur Bahn geholt. Dort stellte Mehdorn, genau wie vom Auftraggeber gewünscht, alles auf den Kopf: Er entließ fast die halbe Belegschaft, er strich unrentable Strecken, sparte an der S-Bahn, bis es knirschte – und sorgte nebenbei dafür, dass Berlin pünktlich zum Start der Fußball-WM 2006 einen funktionierenden Hauptbahnhof erhält. Der wäre bis heute wohl nicht eröffnet, hätte man nur auf die ästhetischen Gefühle des Architekten oder eines Regierenden Bürgermeisters Rücksicht genommen. Mehdorn tat es nicht. Er ließ eine billigere Hallendecke einziehen und das Glasdach an den Enden kürzen. Basta.

Er kann es also. Schon deshalb war es naheliegend, ihn zum neuen Flughafenchef zu berufen. Als Interimschef von Air Berlin kennt er zudem die Bedürfnisse des mit Abstand wichtigsten Kunden der Berliner Flughäfen im Detail. Als Air-Berlin-Chef hatte er sogar Klage gegen seinen heutigen Arbeitgeber eingereicht, um den durch die verschobene BER-Eröffnung entstandenen Schaden feststellen zu lassen. Diesen Interessenkonflikt will er auflösen, indem er seinen Sitz im Verwaltungsrat der Airline, den er noch besetzt, sofort freimachen wird.

Mehdorn sagte selbst einmal über sich, er gehöre „zu den kleinen Dicken, die etwas aushalten“. Er kokettiert also mit seiner Rolle. Dabei ist Durchsetzungsstärke kein Wert an sich. Man muss schon wissen, was und wohin man etwas durchsetzen will. Dass er es weiß, hat er bewiesen – auch beim Sanierungsfall Air Berlin. Die Airline ist zwar noch nicht über den Berg, aber deutlich weiter von der Insolvenz entfernt als noch bei seinem Dienstantritt im September 2011. Bezeichnend ist, dass Mehdorn als Chef ausgerechnet den arabischen Großinvestor bei Air Berlin an Bord holte, der ihn später, Anfang 2013, durch einen deutlich geschmeidigeren Manager ersetzen ließ.

Mehdorn hätte in seinem 71. Lebensjahr das Recht – manche mögen sagen, die Pflicht –, sich in seinem Ferienhaus in Südfrankreich um seinen Weinberg zu kümmern. Dort würde er niemanden mehr nerven. Dass die Vertreter der Flughafeneigentümer diesen Mann im (und hier passt es) „Unruhestand“ anheuern, belegt in jedem Fall ihre Bereitschaft, sich von ihm quälen und öffentlich kritisieren zu lassen. Und das wiederum legt zumindest nahe, dass die Lage am BER noch viel ernster ist als gedacht.

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