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Moderater Moderator: Nikolaus Schneider folgt auf Margot Käßmann

An diesem Dienstag wird die Synode der EKD, das oberste Kirchenparlament, mit großer Wahrscheinlichkeit Nikolaus Schneider als neuen Ratsvorsitzenden im Amt bestätigen – wohin soll das führen?

Wer ist die Frau mit dem Kind auf dem Arm? So fragen immer mehr Kinder, wenn sie in eine Kirche kommen und zum Altar schauen. Das religiöse Wissen der Deutschen nimmt rapide ab. Und doch scheint es, als seien wir ein Volk von Religionsexperten geworden. Politiker, Wissenschaftler, selbsternannte Exegeten im Internet: So viele wissen Bescheid über Traditionen, Verheißungen und Abgründe von Judentum, Christentum und Islam.

Nur von den Kirchen, besonders von der evangelischen Kirche, hört man wenig. Dabei sind es doch ihre ureigenen Interessen, die seit Wochen verhandelt werden, wenn es darum geht, wie viel Religion und wie viel Laizismus Deutschland gut tut, wenn darüber gestritten wird, ob und an was wir glauben wollen oder sollen. Wenn das christliche Erbe beschworen und instrumentalisiert wird wie schon lange nicht mehr. Wenn so viel missverstanden und so leidenschaftlich gehasst wird. Wo sind die evangelischen Bischöfe, Synodenpräsidenten und Akademiedirektoren? Woher kommt deren Verzagtheit? Hat es den Protestanten nach dem Abgang von Wolfgang Huber und Margot Käßmann so nachhaltig die Stimme verschlagen? Sind alle immer noch starr vom Schock über das Ausmaß von Missbrauch und Vertuschung auch im evangelischen Milieu?

Aber halt, der Berliner Bischof Markus Dröge hat doch das bestehende Staats-Kirchen-Verhältnis dezidiert verteidigt und Synoden-Präsidentin Katrin Göring-Eckardt den Islam. Und ja, auch der rheinische Präses und amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat sich zur Sarrazin-Integrations-Islam-Debatte geäußert. Aber was hat er nochmal genau gesagt?

Die evangelische Kirche war immer stolz auf ihre Vielstimmigkeit, darauf, dass sich die Bischöfe nicht wie ihre katholischen Brüder hinter einem Vorsitzenden scharen müssen. Auch eine gewisse Leisetreterei und Graumäusigkeit gehörte schon immer zum Auftreten der Protestanten. Aber das reichte schon in den 90er Jahren nicht mehr und es reicht gewiss heute nicht mehr, um gehört zu werden.

An diesem Dienstag wird die Synode der EKD, das oberste Kirchenparlament, mit großer Wahrscheinlichkeit Nikolaus Schneider als neuen Ratsvorsitzenden im Amt bestätigen. Sie wird vermutlich auch Gewerkschafterin Edeltraud Glänzer und Theologieprofessorin Christiane Tietz in den Rat der EKD wählen. Nichts gegen die beiden Frauen. Sie gelten als kompetent und klug. Aber wer kennt sie? Auch gegen Schneider ist an sich nichts einzuwenden. Der rheinische Präses ist ein guter, warmherziger, freundlicher Mann. Was er sagt, ist durchdacht und hat Hand und Fuß. Aber Schneider ist keine wirkliche Führungspersönlichkeit, keiner, der die Richtung vorgibt, der auch mal bewusst polarisiert und überrascht. Dabei haben die vergangenen Monate gezeigt, wie sehr auch die evangelische Kirche an ihrer Spitze Führungspersönlichkeiten braucht, Männer und Frauen mit Charisma.

Sich dazu zu bekennen, ist nichts Gewagtes, nichts Ehrenrühriges, sondern beste Luther’sche Tradition. „Tritt frisch auf, tu’s Maul auf“, hat der Reformator den Christen empfohlen und sich selbst als rechten Berserker beschrieben: „Ich muss die Klötze und Stämme ausrotten, Dornen und Hecken weghauen, die Pfützen ausfüllen und bin der grobe Waldrechter, der die Bahn brechen und zurichten muss.“

Natürlich müssen sich der Rat der EKD und sein Vorsitzender nicht wie die Axt im Walde aufführen. Aber alleine mit Sanftmut und Bescheidenheit kommt auch die Kirche heute nicht mehr weit. Bestenfalls kommt beides zusammen: der Blick fürs Große und der Blick in die Herzen – und der Mut, sich der Realität zu stellen und die Spiritualität nicht außen vor lassen. Margot Käßmann und Wolfgang Huber konnten das, auf je unterschiedliche Weise.

Ist es möglich, dass es außer diesen beiden niemanden in der evangelischen Kirche gibt mit derartigen Talenten? Vielleicht muss man gründlicher suchen. Sicher ist: Zu viel Demut und Zurückhaltung schrecken solche Leute gewiss ab.

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