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Umstritten: Wikileaks-Gründer Julian Assange.

© dpa

Wikileaks’ neue Indiskretionen: Nützt keinem, schadet vielen

Was soll die Publikation von Personaleinschätzungen in verschiedenen Staaten der Welt durch dort arbeitende US-Diplomaten? Das ist voyeuristisch und ohne jeden Neuigkeitswert. Wikileaks schadet sich letztendlich auch selbst.

Die Betreiber der Internetplattform Wikileaks und ihr Gründer Julian Assange sind dabei, sich als das zu entlarven, was ihre Gegner ihnen immer vorgeworfen und was die selbst ernannten Enthüller vehement bestritten haben: nichts als selbstverliebte und verantwortungslose Verbreiter von Geheimmaterial zu sein. Bislang konnte man das anders sehen. Die Veröffentlichung von Militärdokumenten zum Irakkrieg mag keine sensationellen neuen Erkenntnisse gebracht haben. Aber diese Indiskretionen machten ein Ausmaß der Brutalisierung des Lebens im Irak deutlich, das man sich so nicht vorgestellt hatte. Das Video über die gezielte Tötung von zwölf Zivilisten in Bagdad von einem US-Hubschrauber aus war ein Zeugnis abscheulicher menschlicher Verrohung. Über die tatsächlichen Zustände in Afghanistan und die teilweise hilflosen Aktionen der Nato-geführten Truppen haben wir durch Wikileaks weit mehr erfahren als durch die offiziellen Kommuniqués der Militärs.

Aber was soll jetzt die Publikation von Personaleinschätzungen in verschiedenen Staaten der Welt durch dort arbeitende US-Diplomaten? Das ist voyeuristisch und ohne jeden Neuigkeitswert. Dass die Beurteilung von Angela Merkel eher indifferent ausfällt, die von Karl Theodor zu Guttenberg euphorisch und die von Guido Westerwelle wenig schmeichelhaft, kann ernsthaft niemanden überraschen. Jeder weiß, dass die Kanzlerin von Barack Obama nicht so recht begeistert ist. Und ein pro-amerikanischer, schneidiger Reserveoffizier im Verteidigungsministerium findet natürlich den Beifall Washingtons. Über den Fehlstart und die mangelnde fachliche Vorbereitung des neuen deutschen Außenministers kann man seit Monaten in jeder Zeitung nachlesen. Es ist der Job von Diplomaten, solche Einschätzungen an die eigene Regierung zu schicken. Es erleichtert das Geschäft, wenn man Stärken und Schwächen des Gegenüber kennt.

Zu ahnen, was der andere über einen denkt, oder es als dessen Meinungsäußerung im Internet zu lesen, sind freilich zweierlei Dinge. Mit aufklärerischem Impetus hat das nichts mehr zu tun. Der Vorgang hilft bei keiner Wahrheitsfindung, er nützt niemandem und schadet vielen – ganz massiv auch Wikileaks selbst.

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