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Mit seinen Berechnungen befördert Harald Terpe (Grüne) das Misstrauen in das Organspendesystem stärker als jeder überführte Betrüger im Doktorkittel.

© dpa

Organspenden: Nicht nur Kasse machen

Scheinbar alarmierende Zahlen lieferte der Grünenpolitiker Harald Terpe. Danach werden Privatversicherte bei der Organspende bevorzugt. Doch in seinem konkreten Fall belegen das die Fakten keineswegs. Trotzdem: Gegen das Misstrauen vieler Menschen gibt es nur ein Rezept.

Gestreut haben sie den Verdacht schon beim ersten Bekanntwerden der Skandale in Göttingen und Regensburg. Und gefühlsmäßig haben es die kritischen Zeitgenossen sowieso schon immer gewusst: Privatpatienten werden, weil sie den Ärzten mehr Geld bringen, natürlich auch bei der Organspende bevorzugt.

Tatsächlich geht es hier – anders als in der Debatte um kürzere Wartezeiten oder schnellere Terminvergabe beim Hausarzt – um einen ungeheuerlichen Vorwurf. Darin steckt die Behauptung, dass an deutschen Kliniken massenhaft betrogen wird. Dass Labordaten systematisch gefälscht werden, dass Hochleistungsmedizin käuflich ist. Und dass man Schwerstkranke dem Tod ausliefert, nur weil sich mit anderen besser verdienen lässt.

Den scheinbaren Beleg dafür hat der Grünenpolitiker Harald Terpe geliefert. Im Verhältnis ihres Anteils auf der Warteliste, so ist seinen Zahlen zu entnehmen, kommen Privatversicherte beim Organverteiler Eurotransplant bei allen Transplantationen weit öfter zum Zuge als Kassenpatienten. Er wisse nicht, ob das Zufall sei oder auf Manipulationen hindeute, hat Terpe vorsichtshalber hinzugefügt. Was er wusste, war, dass er es mit den Zahlen auf die Titelseiten der Boulevardblätter schaffen würde. Und dass er damit das Misstrauen ins deutsche Organspendesystem stärker befördern würde als jeder überführte Betrüger im Doktorkittel.

Nichts wäre dagegen zu sagen, wenn die Fakten solche Beunruhigung rechtfertigten. Doch im konkreten Fall tun sie das keineswegs. Terpe hat den aktuellen Anteil privat versicherter Wartelisten-Patienten der Einfachheit halber mit Transplantationszahlen früherer Jahre verglichen. Eurotransplant arbeitet nur mit Befunden, die Vermittlungsstelle weiß gar nichts vom Versichertenstatus der Wartenden. Und statistisch ließe sich genauso gut eine Bevorzugung von Kassenpatienten unterstellen. 2011 starben nämlich auf den Wartelisten für sämtliche Organe in Deutschland prozentual deutlich mehr Privat- als Kassenpatienten.

Alarmierend ist nicht das Zahlenmaterial, das eine Bevorzugung von Privatversicherten belegen soll, sondern etwas ganz anderes. Viele Menschen trauen dem Organspendesystem inzwischen so wenig über den Weg, dass ihnen zur großen Aufregung schon kleinste vermeintliche Anhaltspunkte genügen. Dagegen gibt es nur ein endlich einzulösendes Rezept: mehr Transparenz.

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