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Bei der Piratenpartei sind selbstzerstörerische Kräfte am Werk.

© dpa

Piraten: Eine Zombie-Partei liquidiert sich selbst

Üble Beleidigungen, politische Irrlichterei, reihenweise Austritte: Die Piratenpartei wirkt in diesen Tagen wie eine Crew Untoter, meint Lorenz Maroldt. Dabei könnte die Politik ein bisschen mehr Piratentum gut vertragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Ach ja, die Piraten – sind sie schon tot? Irgendwie sind sie noch da, aber eher als Zombie. Der Bundesvorsitzende Stefan Körner zieht jedenfalls wie Käpt’n Barbossa aus „Fluch der Karibik“ mit einer Crew Untoter über die Tiefen der Parteitage. Viel ist da nicht mehr, was als Politik zu identifizieren wäre. Das Transparenzversprechen gilt da nur noch in Bezug auf exhibitionistisches Harakiri, und anstatt Liquid Feedback zum großen Ding zu machen, machen sich die Piraten überflüssig: Sie sind dabei, sich selbst zu liquidieren.

Tissy Bruns, unvergessen, hat im Herbst 2011 im Tagesspiegel geschrieben, der Einzug Piraten ins Abgeordnetenhaus sei die schönste Überraschung des Wahlabends - und zwar nicht vor allem deshalb, weil sie mit den Digitalthemen inhaltlich etwas Neues in die Politik gebracht hätten. Nein: Weil die Piraten daran erinnert haben, dass Parteien aus dem Volk kommen, und dass Selbstorganisation ein Machtmittel von Menschen sein kann.

Den Piraten fehlt eine gemeinsame politische Haltung

Wenn die Menschen denn Selbstorganisation können. Aber die Hoffnung, dass neben den etablierten Parteien etwas Neues, Anderes entstehen kann, das auch Partei ist, haben die Piraten radikal zerstört. Nicht, weil sie anfangs keine Ahnung hatten, wie hoch die Schulden Berlin sind oder wegen ähnlicher Kenntnislücken. So etwas muss man sich nicht merken, dafür gibt es Apps, die besser funktionieren als die menschliche Festplatte.

Nein, die Piraten wirken so selbstzerstörerisch, weil sie es als Partei nicht geschafft haben, den erheblichen, unübersehbaren Anteil politischer Irrlichterei auszupusten. Da kommt es immer wieder zu ressentimentgetriebenen Provokationen, die nirgendwo - außer vielleicht bei der AfD – geduldet würden. So aber führt das Fehlen einer gemeinsamen politisch-gesellschaftliche Haltung, die irgendetwas Verbindendes schafft über die gemeinsame Nutzung einer Laptopladestation hinaus, zu politischer Irrelevanz. Die vom Bundesvorstand behauptete Lagerbildung – hier Sozialliberale, dort Linke – gibt es so nicht. Die Partei ist an einem völlig falsch verstandenen Freiheitsbegriff gestrandet, bei dem alles zu Politik erklärt wird, was einer denkt oder eben auch nicht denkt. Jetzt wird versucht, den Kahn wieder flott zu machen, indem die politischen Gegner des minimalpolitischen Vorstands zum Ballast erklärt und mit Parteiordnungstricks über Bord gemobbt werden.

Nirgends ist die Freude an Bösartigkeiten so ausgeprägt

In so einem Klima fühlen sich Trolle besonders wohl, und davon tummeln sich viele bei den Piraten. Ihr höchstes Ziel scheint es zu sein, anderen den Spaß zu versauen. Es gibt keine andere Partei, die NPD ausgenommen, bei der die Freude an Bösartigkeiten und üblen Beleidigungen so ausgeprägt ist wie bei den Piraten. Nach außen wirkt das abstoßend, wie sich zuletzt gezeigt hat. Jene Wähler, die am Anfang mit Neugier und Wohlwollen beobachtet haben, was sich da tut, stellen jetzt fest: Die Piraten sind gar nicht so anders - nur noch einen Zacken schlimmer. Und gute Netzpolitik wird inzwischen auch woanders gemacht.

Bei alledem ist es kein Zufall, dass im Berliner Landesverband seit längerem über eine Abspaltung nachgedacht wird und immer mehr Mitglieder, auch prominente, ihren Austritt erklären. Denn hier machen sie echte Oppositionspolitik, thematisch breit aufgestellt, und das zum Teil richtig gut. Bis zur nächsten Wahl dann eben auch ohne Parteimitgliedschaft – und danach vielleicht mit einer anderen. Bei welcher? Egal. Ein bisschen mehr Piratentum inmitten des Pragmatismus könnte die Politik überall gut vertragen. - Die Piraten sind tot? Es lebe der Piratismus.

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