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Bundesinnenminister Friedrich rügt die Initiative "Pro Deutschland" für ihren Plan, das umstrittene Mohammed-Video in Berlin zu zeigen.

© dapd

Provokation und Meinungsfreiheit: Bundesregierung will Rechtspopulisten stoppen - mit Recht

Nach den blutigen Unruhen in der arabischen Welt will Bundesinnenminister Friedrich einer Eskalation in Deutschland vorbeugen, indem er eine Minderheit zum Schweigen bringt. Er sollte lieber die Mehrheit für sich sprechen lassen.

Von Matthias Schlegel

Ein islamfeindlicher Film wühlt die Welt auf. Von der Entwürdigung ihres Propheten aufgeputschte Muslime greifen blindwütig amerikanische Botschaften und Konsulate vorwiegend in arabischen Staaten an, im sudanesischen Khartum wird auch die deutsche Vertretung Ziel eines aufgebrachten Mobs. Die Vorfälle erinnern an die Reaktionen auf die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen im Jahr 2005 durch eine dänische Zeitung und an den entfesselten Hass der Muslime, der dem amerikanischen Pfarrer Terry Jones entgegenschlug, als er 2010 einen Koran verbrennen wollte.

Hierzulande hat nun die Bewegung „Pro Deutschland“ angekündigt, den Film im November in Berlin zeigen zu wollen. Den womöglich hohen Preis einkalkulierend, dass die von Bengasi über Sanaa und Khartum führende Spur der Gewalt auch Berlin erreicht. Diesen Preis ist ihnen die Verteidigung der Meinungsfreiheit wert. In der Selbsteinschätzung, sie zeige damit Zivilcourage, schwingt der Vorwurf der Bewegung mit, alle jene, die den Film beziehungsweise seine Verbreitung unterbinden wollen, seien Angsthasen, die sich von gewaltbereiten Islamisten einschüchtern ließen.

Bildergalerie: Anti-Islam-Video provoziert weltweite Unruhen

Hinter dem großmäuligen Anspruch, der eigentliche Bewahrer des – zweifellos überaus wertvollen – Gutes der Meinungsfreiheit zu sein, will sich die Islamfeindlichkeit gar nicht verbergen. Und deshalb wird in diesem Trachten allein die Provokation zum Programm: Weil sie zwangsläufig wiederum jene Reaktion generieren wird, die die eigene These von der Gewalttätigkeit des Islamismus stützt. Das ist Demagogie in Reinkultur. Und gegen die muss sich der Rechtsstaat zur Wehr setzen dürfen.

Die Demokratie kennt nicht nur schwarz oder weiß.

Glücklicherweise besteht unsere Welt nicht nur aus den Guten und den Schlechten, dankenswerterweise kennt unsere Demokratie nicht nur schwarz oder weiß. So wird das Ansinnen, diesen Streifen vielleicht in Friedrichshain oder in Charlottenburg zur öffentlichen Aufführung zu bringen, zunächst auf die Waage der Justitia gelegt werden müssen. Es werden grundlegende Rechtsgüter abzuwägen und ganz unmittelbare situative Gefahren einzubeziehen sein. Und wenn am Ende dieses Prozesses eine Aufführung nicht mit rechtlichen Mitteln zu verhindern ist, weil sich ein konstitutives Element unserer Verfassung, die Meinungsfreiheit, als das stärkere Rechtsgut durchsetzt, wird man es akzeptieren müssen. Gleichwohl kennt die aufgeklärte Zivilgesellschaft effektive Formen des friedlichen Protests, die schon manche – zum Beispiel rechtsradikale – Veranstaltung scheitern ließ.

Man mag es beklagen, dass die Auseinandersetzung zwischen den Religionen jenes Niveau des gegenseitigen Aufstachelns erreicht hat, das wir bei diesem Film und den Reaktionen darauf vorfinden. Gewiss, die Verteidigung der Meinungsfreiheit darf sich nicht die künstlerische Qualität eines Produkts zum Maßstab nehmen; wäre es so, lägen die Dinge im Falle dieses Machwerks ziemlich klar auf der Hand. Der nüchterne Befund ist: Die ernsthaft und aufrichtig in und mit ihrem Glauben lebenden Christen wie Muslime, denen Verächtlichmachung anderer fern liegt und Gewalt sowieso, verhindern nicht, dass es die Radikalsten unter ihnen sind, die das Ansehen der Religionen und ihr Verhältnis zueinander bestimmen. Das darf so nicht bleiben. Gerade die Aufrichtigen sollten ihre Meinung kund tun und nicht Provokateuren das Feld überlassen. Sonst glauben die wirklich noch, sie seien die Gerechten.

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