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Rot und Schwarz: Eine Koalition der kleinen Schritte, meint Bernd Matthies.

© Reuters

Koalitionsvereinbarung: Rot-schwarz geht minimalinvasiv an die Arbeit

Die Botschaft von SPD und CDU lautet, sachlich betrachtet: Es wird weiter gewurstelt. Reicher werden und sexy bleiben, wie Klaus Wowereit es verspricht: Das ist reines Wunschdenken.

Begeisterung sieht anders aus. Aber es wäre wahrscheinlich auch zu viel verlangt, wollte man von den Partnern einer Zwangsheirat erwarten, dass sie beseelt und voller Visionen in die gemeinsame Zukunft aufbrechen. SPD und CDU haben in Berlin mit notarieller Leidenschaftslosigkeit zusammengetragen, wo die Probleme liegen – und mit pragmatischer Konsequenz beschlossen, wohin die nächsten kleinen Schritte gehen könnten, um diese Probleme zumindest nicht größer werden zu lassen. Mehr wird wohl nicht drin sein.

Die Botschaft dieses Tages lautet, sachlich betrachtet: Es wird weiter gewurstelt, Tagespolitik im Rahmen des großen Finanzierungsvorbehalts betrieben. Das ist nicht viel, aber es ist womöglich mehr und besser für die Stadt als eine von großen Hoffnungen getragene rot-grüne Koalition, die dann nach und nach in hysterischen Zänkereien und/oder Suizidversuchen der Grünen ihr Leben aushaucht wie einst bei Walter Momper. Stabilität ist gewissermaßen die einzige überwölbende Agenda des neuen Senats, und das sollte man nicht unterbewerten.

Es ist den beiden Parteien gelungen, vor allem in der Ressortverteilung schon die Einflusssphären im Sinne künftiger Konfliktvermeidung festzulegen. Inneres und Justiz sollen von der CDU verwaltet werden, das ist die logische Konsequenz des erfolgreichen Brandstifter-Wahlkampfs und bedeutet, dass es künftig in diesen Fragen eine klare Zuständigkeit und ebenso klare Schuldzuweisungen geben wird, falls etwas schief läuft. Auf der anderen Seite hat die SPD mit dem heiklen Thema Bildung eine keineswegs geringere Last zu tragen. Die seltsame Aufteilung in Wissenschaft für die SPD und Forschung für die CDU mag dagegen verstehen, wer will; man ahnt bei solchen Kompromissformeln, dass die Koalitionäre in ihren langen Sitzungen nicht nur abgehakt, sondern auch gerungen haben, und dabei ist wie üblich manch Vernünftiges auf der Strecke geblieben. Vor allem ist wieder einmal die Chance verpasst worden, der Kultur ein eigenes Ressort zu geben und damit die Anerkennung und Aufmerksamkeit, die sie verdient.

In der Sache sind die Koalitionspartner nach der minimalinvasiven Methode verfahren, die auf der einen Seite möglichst schmerzfrei nehmen und auf der anderen Seite dezente Wohltaten möglich machen soll. Die City Tax, die als Reaktion der SPD auf das Mehrwertsteuergeschenk der Bundesregierung an die Hotels erfunden wurde, ist so ein Fall – eine Geldquelle, die angeblich niemandem wehtut. Doch dass sie gerade die kleinen Hotelbetriebe viel eher in Schwierigkeiten treiben wird als die großen Konzernhäuser, wird als Kollateralschaden hingenommen: keine gute Lösung für eine Stadt, die ohne Tourismus ihren Kram ganz zusammenpacken könnte.

Wofür wird das damit eingenommene Geld nun verwendet? Die Grundstücksbesitzer sollen nicht mehr am Straßenausbau beteiligt werden, das wird viele Bürger freuen und noch mehr Bürger kalt lassen. Dafür bleibt es dabei, dass Lehrer nicht mehr verbeamtet werden, nach allen Erfahrungen ist das eine schwere Hypothek angesichts rapide alternder Schulkollegien. Und die Entscheidung für einen Mindestlohn als Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge mag man als sozial gedachtes Trostpflaster richtig finden. Aber ob der Plan mehr als nur eine Absichtserklärung ist, wird sich vermutlich erst in einem schmerzhaften Sondierungsprozess klären.

Hinter all diesen Entscheidungen steht immer wieder erkennbar die ebenso selbstbewusste wie vage Hoffnung, Berlin sei so attraktiv, dass die wichtigen Hoffnungsträger – die Touristen, Lehrer, Arbeitgeber – derlei Kröten schon schlucken werden, einfach weil die weltberühmte Attraktivität der Stadt ihnen einfach keine andere Wahl lässt. Aber ist das so? Reicher werden und sexy bleiben, wie Klaus Wowereit es verspricht – das ist nach Kassenlage reines Wunschdenken. Realistischer klingt der Satz Frank Henkels, es handle sich um ein gutes Ergebnis für beide Parteien. Das ist wohl so. Ob es auch gut ist für die Stadt, wird sich zeigen.

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