zum Hauptinhalt

Todesspritzen: Sinnvolles Embargo

Die Hinrichtung per Giftspritze in den USA ist veraltet. Seit mehr als fünf Jahren ist bekannt, dass die angeblich "humane" Spritze mitunter einen langsamen und qualvollen Tod bereitet. Schuld daran ist das jetzt knapp gewordene Thiopental.

Dieser Tage hört man ein ungewöhnliches Trio im Gleichklang singen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, Ärztefunktionär Frank Ulrich Montgomery und der Verband forschender Arzneimittelhersteller sind ausnahmsweise einer Meinung: Deutsche Pharmafirmen sollen kein Gift für Hinrichtungen in die USA liefern. Da ist breite Zustimmung garantiert.

Auslöser für den ungewöhnlichen Appell ist ein makabrer Lieferengpass in den USA. Den Henkern ist das Gift für die Todesspritzen ausgegangen. Weil das für Hinrichtungen eingesetzte Thiopental als Narkosemittel aus der Mode gekommen ist, stellten amerikanische Pharmafirmen die Produktion ein. Im vergangenen Jahr mussten deshalb bereits mehrere Hinrichtungen verschoben werden. Die letzten Vorräte, die einige US-Gefängnisse noch gebunkert haben, werden im März das Verfallsdatum erreichen.

Bei den meisten der über 3000 Todeskandidaten, die derzeit in den „death rows“ auf ihre Hinrichtungen warten, haben die Richter jedoch „Tod durch Injektion“ angeordnet. Eine Änderung des dafür vorgeschriebenen Giftcocktails ist in vielen Bundesstaaten nur durch ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren erlaubt. In Oklahoma, wo dies leichter möglich ist, stieg man vergangenen November kurzerhand von Thiopental auf das ähnlich wirkende Pentobarbital um – und löste damit weltweite Entrüstung aus, da Pentobarbital nur für die Veterinärmedizin zugelassen ist.

Dabei wäre eine Reform der chemischen Kunst des Tötens dringend vonnöten. Seit mehr als fünf Jahren ist nämlich bekannt, dass die angeblich „humane“ Giftspritze mitunter einen langsamen und qualvollen Tod bereitet. Schuld daran ist das jetzt knapp gewordene Thiopental: Dieses Schlafmittel aus der Gruppe der Barbiturate war für die Einleitung von Narkosen beliebt, weil es eine besonders kurze Wirkungsdauer hat. Dadurch werden Wechselwirkungen mit den Narkosegasen minimiert, die nach dem Einschlafen zum Einsatz kommen. Was für Anästhesisten von Vorteil ist, erweist sich jedoch im Henkerhandwerk als Nachteil.

Bei der seit Anfang der 80er Jahre praktizierten Exekutionsmethode wird der Delinquent zunächst durch eine Infusion mit Thiopental in Kurznarkose versetzt. Dann bekommt er ein zweites Medikament (Pancuronium), das die Atemmuskulatur lähmt. Schließlich wird durch Infusion von Kaliumchlorid der Herzstillstand herbeigeführt.

Wenn jedoch das Thiopental zu niedrig dosiert wurde oder sich die Verabreichung der weiteren Medikamente verzögert, erwacht der Todeskandidat bisweilen aus der Kurznarkose. Da das Pancuronium die gesamte Muskulatur lähmt, kann er sich nicht bemerkbar machen. Er erlebt dann, wie seine Atmung gelähmt ist und wie das Kaliumchlorid unter heftigsten Schmerzen das Herz zum Stehen bringt.

Um Tieren derartige Qualen zu ersparen, verwenden Veterinäre zum Einschläfern Pentobarbital, das eine wesentlich längere Wirkungsdauer hat. Bei Verwendung einer höheren Dosis führt dieses Barbiturat alleine zum Tod, so dass die beiden anderen Gifte, mit ihren mitunter grausamen Nebenwirkungen, entbehrlich sind. Die Schweizer Sterbehilfeorganisationen Dignitas und Exit empfehlen deshalb ausschließlich Pentobarbital für den Freitod.

Die US-Justiz wollte von einer Reform der staatlichen Tötungsmethode jedoch bislang nichts wissen. Erst vor zwei Jahren bestätigte der Oberste Bundesgerichtshof, dass der dreifache Hinrichtungscocktail nicht gegen die Verfassung verstößt. Nun besteht Hoffnung, dass das mittelalterliche Relikt der Todesstrafe ausgerechnet durch einen Lieferengpass etwas weniger grausam wird.

Großbritannien, wo US-Gefängnisse zuletzt noch Thiopental bezogen, hat die Ausfuhr des Medikamentes schon letztes Jahr gestoppt und ein EU-weites Embargo angeregt. Auch Italien erließ ein entsprechendes Verbot. Wenn nun auch Deutschland den Nachschub verweigert, stehen die Chancen gut für eine Modernisierung der Giftspritze in den USA.

Leider ist die Todesstrafe an sich, die in vielen US-Staaten nach wie vor breite Unterstützung erfährt, damit noch lange nicht abgeschafft.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false