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Apple und Facebook finanzieren ihren Mitarbeiterinnen das "Social Freezing" - das Einfrieren von Eizellen.

© dpa

Social Freezing: Apple und Facebook machen Frauen zu Leibeigenen

Die Mitarbeiterinnen von Apple und Facebook sollen auf Firmenkosten ihre Eizellen einfrieren können. Angeblich geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Doch das ist eine Lüge. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Die Firmen Apple und Facebook bieten ihren Mitarbeiterinnen eine neue Sozialleistung an. Apple und Facebook übernehmen die Kosten für das Einfrieren von Eizellen. Die Mitarbeiterin soll auf diese Weise in die Lage versetzt werden, auch in fortgeschrittenem Alter noch Mutter werden zu können. Die Prozedur kostet 8000 Euro, die Aufbewahrung der Zellen noch einmal 400 Euro im Jahr. Dank dieser Maßnahme werde es einfacher, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.

Erste Lüge: Es geht bei so etwas nicht um „Karriere“. Etwas, das man „Karriere“ nennen könnte, gelingt naturgemäß immer nur einer Minderheit des Personals. Schauen Sie sich einfach mal um im Büro. Sitzen neben, vor und hinter Ihnen, an all den anderen Computern, etwa lauter Chefs? Es geht um Arbeit. Die Frauen sollen, in den energiereichen Jahrzehnten zwischen dem 20. und dem 40. Geburtstag, ihre Energie vollständig der Firma zur Verfügung stellen. Das, was nach 20 Jahren branchentypischer 60- Stunden-Woche von den Frauen noch übrig ist, darf die Kinder haben.

Wer das Angebot ausschlägt, macht sich verdächtig

Zweite Lüge: Es geht bei Apple und Facebook nicht um mehr Freiheit oder um soziale Fürsorge. Im Gegenteil. Eine Frau, die ihre Zellen nicht einfrieren lässt, gibt der Firma zu verstehen, dass ihr die Firma nicht das Wichtigste ist in ihrem Leben. Dass sie ein freier Mensch sein will, keine Marionette der Firma. Sie macht sich verdächtig. Sozial wäre es, in der Firma Kinderbetreuung anzubieten und allen Eltern unkompliziert Auszeiten zu ermöglichen.

Ein altes Wort wird wieder modern, es heißt „Leibeigenschaft“. Die Firma kümmert sich um die Familienplanung, die Firma kann jederzeit anrufen, auch nachts oder am Wochenende. Die Firma will, dass du gesund lebst und kein Übergewicht hast. Du gehörst der Firma. Das, was du tust, nennt die Firma ungern „Arbeit“. Die Firma spricht lieber von „Karriere“. Es ist allerdings so schlecht bezahlt, dass ihr, falls ihr Kinder wollt, schon beide arbeiten müsst, pardon, beide eine Karriere haben müsst. Vor 30 Jahren haben die Leute noch so viel verdient, dass oft ein einziges Gehalt genügte, um eine Familie über Wasser zu halten. Wenn die Gehälter noch so hoch wären wie damals, gäbe es kein Problem mit dem Namen „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.

Anfang 2013 untersuchte die ARD in einer Reportage die Arbeitsbedingungen bei Apple. Das Ergebnis war niederschmetternd: niedrige Gehälter, Dauerüberwachung, unbezahlte Überstunden, psychischer Druck. Wer auf die Toilette möchte, muss um Erlaubnis fragen. Aber sie bezahlen es, wenn Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen. Ein amerikanisches Sprichwort heißt: „There is no such thing as a free lunch.“ Es gibt im Leben nichts gratis.

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