zum Hauptinhalt

Sommerende?: Es geht weiter, immer weiter

Alle Welt redet vom Ende des Sommers. Unser Kolumnist Helmut Schümann weigert sich, den Abschied der schönen Tage zu akzeptieren.

Was jetzt tun? Nun, da alle sagen, Meteorologen, Claudia Kleinert, Propheten, dass wir uns vom Sommer verabschieden müssen? Selbst das Wetter sagt es, das Wetter spricht heute eine deutliche Sprache. Wenn wir wenigstens keinen Sommer gehabt hätten, bräuchten wir jetzt nicht alle in Depressionen zu verfallen. Weil, wenn man sich von etwas verabschiedet, das gar nicht da war, ist es doch gar kein Abschied.

Übrigens hilft Geschirrspülen gegen depressive Gedanken. Das hat gerade Professor Sabine Herpertz von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde verkündet. Es ist immer schön, wenn einem die Psychiatrie in schweren Stunden beisteht. Man müsste jetzt mal eine Studie erstellen, die die mitunter schweren Gedanken von uns allen in Relation setzt zu den Geschirrspülern, man ahnt jetzt, warum die immer gut drauf sind. Die haben auch keinen Sommer zu verabschieden. Wenn wir wenigstens keinen Sommer gehabt hätten, aber wir hatten einen. Und was für einen. Was also jetzt tun? Sich weigern! Der Mittfünfziger weigert sich einfach, den Sommer zu verabschieden.

Man ist nicht ins fortgeschrittenere Alter gekommen, um jeden Mist mitzumachen. Sollen sie alle reden, Meteorologen, Claudia Kleinert, Propheten, Defätisten, sollen sie doch alle unken, der Sommer ist nicht vorbei.

Der Sommer geht weiter, immer weiter, wie bei Oliver Kahn. Für den heutigen Tag sind wunderbar sommerliche und dramatische Himmel vorhergesagt, wundervolle Entladungen, Lichtspiele, Paukenschläge. Und dann sind Trommelwirbel angesagt, die auf Markisen niedergehen, unter denen man sitzen kann und den Sommer bestaunen und preisen. Und Wind wird wehen, eine Brise, ein Lüftchen, herrlich erfrischend im Sommer. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.

Eine andere Methode als die Verweigerung ist die Ignoranz. Nach den „Tagesthemen“, noch vor dem Wetter, abschalten. Im Radio zur vollen und zur halben Stunde den Ton abdrehen. Im Tagesspiegel auf der Seite zwei das untere Viertel überkleben. Wenn wir alle nur konsequent das Ende des Sommers ignorieren, einfach wegschauen und fröhlich so tun, als sei nichts geschehen, wird sich der Sommer dreimal überlegen, ob er tatsächlich geht oder nicht in Form eines Spätsommers und dann eines goldenen Oktobers verweilen will. Erst wenn alle Stricke reißen, wenn es gießt aus Kübeln und der Frost in die Gebeine kriecht, werden wir den Geschirrspüler anstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false