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Bayerns Innenminister Herrmann nannte Roberto Blanco einen "Neger". Es folgte Empörung.

© Daniel Karmann/Karlheinz Schindler/dpa

Sprache, Recht und Gesellschaft: Wie viel "Neger" steckt im "Asylanten"?

Asylsuchende, Asylbewerber, Asylbegehrende - die Not mit dem richtigen Wort erweist die Ratlosigkeit in der Sache. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die Verwaltung ist an Gesetz und Recht gebunden, und Gesetz und Recht sind Sprache. Ein wichtiger Faktor, weshalb viele meinen, man müsse Sprache verändern, dann verändere sich das Recht und mit ihm die Gesellschaft. Ein Steuerungsideal, das mit den meisten Idealen gemein hat, von der Wirklichkeit unterlaufen zu werden. Trotzdem kann man sich gelegentlich an Verwaltungen ein Sprachbeispiel nehmen. Aktueller Fall: Der Asylant.

Ein Beispiel insofern, als dass viele Behörden auf den Begriff verzichten, obwohl er in der aktuellen Debatte geläufig ist. Die „Bild“ benutzt ihn, er steht im Duden, in der Provinzpresse taucht er auf. Sogar der ehrwürdigen Deutschen Presse-Agentur rutscht er durch. Was ist schlimm am Asylanten? Eigentlich nichts. Linguistisch betrachtet, eine konsequente Schöpfung. Die Endung -ant hat eine aktive Komponente, informiert der Duden, stammend vom lateinischen Partizip Präsens und zum Asylanten passend, denn er kommt und will was. Kritiker weisen auf negativ konnotierte „-ant“-Wörter hin, Querulant, Simulant, Bummelant. Doch was ist mit Komödiant, Musikant, Praktikant? Oder Hydrant?

Entscheidend ist nicht das Wort, es sind die Zusammenhänge, in denen es benutzt wird. Der Asylant war lange unauffällig, bis es in den achtziger Jahren erstmals zu dem kam, was man heute besser nicht mehr Asylantenschwemme nennt. Grund war der Militärputsch in der Türkei. Der Asylant erschien im Duden und fortan als bedrohlich. Kein Wunder, dass er bei Pegida und Internethassern heute so beliebt ist. Wer Asylant sagt, hat schnell falsche Freunde. Übrigens ist der Begriff eine Gender-Sünde. Er existiert nur in der männlichen Form.

Sprache konstruiert und ordnet. Aber sie bildet auch ab. Zum Beispiel unsere Nöte mit dem Asyl. „Asylbegehrende“, hieß es am Samstag in dieser Zeitung. Juristensprache, in der es ein antiquiertes Begehren ohne sexuelle Komponente gibt – doch fern von sprachlicher Gewohnheit. „Asylbewerber“ ist abwertend, denn wer in Not ist, „bewirbt“ sich nicht um Schutz, er bekommt ihn. „Asylsuchende“? Zynisch. Sie haben das Asyl schließlich gefunden, nur kriegen sie es nicht. „Asylwünschende“? Noch schlimmer. Korrekt ist Asylantragsteller. Wäre es gut, Menschen darauf zu reduzieren?

„Flüchtling“ war mal ein Unwort, heute geht es wieder. Gleiches könnte irgendwann wieder für den „Neger“ gelten und vielleicht auch für Asylanten. Niemand weiß es. Roberto Blanco sagt, er sei immer stolz auf seine Hautfarbe gewesen. Stolz, ein Neger zu sein. Darum geht es, um Stolz. Die Weinenden und Verzweifelten, die uns die Medien zeigen, überdecken die Tatsache, dass stolze Menschen zu uns kommen. Wir sollten sie auch so behandeln. Wie wir sie dann nennen? Am besten beim Namen.

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