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Meinung: Sprengstoff vor der Haustür

Die Konflikte in Nahost verbinden sich. Die Türkei hofft auf ein Signal der G8.

Als Nachbarland der beiden Krisenstaaten Syrien und Iran erwartet die Türkei von dem G8-Treffen in Washington am kommenden Mittwoch vor allem eines: die Verhinderung neuer Kriege vor der türkischen Haustür. Die Kriegsgefahr ist keine türkische Einbildung. Syrien und Iran sind zwei Nachbarn, die immer unberechenbarer und unempfänglicher für Vermittlungsbemühungen werden. In beiden Fällen muss die Türkei erkennen, dass ihr Einfluss als Regionalmacht nicht ausreicht, um die Krisen zu entschärfen.

Die Unruhen in Syrien haben rund 25 000 Flüchtlinge in die Türkei getrieben. Ankara plant für den Fall eines noch massiveren Ansturms von hunderttausenden Hilfesuchenden die Einrichtung einer Pufferzone auf syrischem Gebiet, in der sich Flüchtlinge, Deserteure und Regimegegner sicher fühlen könnten, ohne türkische Flüchtlingslager aufsuchen zu müssen. Eine solche Zone müsste militärisch geschützt werden, nach Forderung der syrischen Opposition durch eine türkisch-arabische Friedenstruppe. Sollte es wirklich so weit kommen, wäre es nicht mehr weit zu dem von vielen Politikern – darunter auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle – befürchteten Stellvertreterkrieg in Syrien: auf der einen Seite das syrisch-iranisch-schiitische Bündnis, auf der anderen die sunnitischen Regionalmächte Saudi-Arabien und Türkei.

Druck der westlichen G8-Staaten auf Russland wäre aus türkischer Sicht das beste Mittel, diese Eskalation abzuwenden. Sollte Moskau sich vom Assad-Regime distanzieren, würde der Diktator in Damaskus sich weniger sicher fühlen, wenn er trotz aller Zusagen an die internationale Gemeinschaft weiter auf Demonstranten schießen lässt. Das G8-Treffen am Tag nach dem vereinbarten Abzug der syrischen Regierungstruppen aus den umkämpften Städten bietet die Chance, die Lage mit Russland direkt zu erörtern.

Auch beim Thema Iran wird die Türkei genau beobachten, was in Washington besprochen wird. Ankara befürchtet einen israelisch-iranischen Krieg mit Auswirkungen auf die ganze Region. Deshalb bot sich die Türkei als Gastgeberin der nächsten Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm an, doch angesichts eines aufflammenden Streits zwischen Ankara und Teheran über Syrien ist es fraglich geworden, ob die Gespräche tatsächlich wie geplant in Istanbul stattfinden können.

Dieser neue türkisch-iranische Streit mit seinem engen Zusammenhang zwischen der Krise in Syrien und dem Ringen um das iranische Atomprogramm zeigt, wie sich die diversen Konflikte in der Region immer mehr zu einem hochexplosiven Mix verbinden. Deshalb hofft Ankara, dass es den G8 gelingen wird, die Situation zumindest ein wenig zu entschärfen.

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