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Die Grünen stecken mitten im Umfragen-Tief. Das weiß auch Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin.

© dpa

Umfrage-Absturz der Grünen: Vom starken Partner zum demoskopischen Fallobst

Zehn Prozent Zustimmung – die Grünen befinden sich im unaufhaltsamen Umfrage-Absturz. Zum Umsteuern ist es zu spät. Dennoch wollen die Grünen heute, auf ihrem letzten Parteitag vor der Wahl, ihr „100-Tage-Programm“ für den Fall einer Regierungsbeteiligung zu beschließen.

Das bittere Gefühl verfolgt Jürgen Trittin seit 1990. Derzeit werden die Grünen in der Wählergunst nach hinten durchgereicht – vom bestens aufgestellten Partner für Rot-Grün, als den man sich vor Monaten noch fast hochmütig gegenüber einer schlappen SPD präsentierte, zum demoskopischen Fallobst. Nur noch zehn Prozent Zustimmung, das ist die eigentliche Sensation dieses Wahlkampfs – weil immerhin 42 Prozent der Bundesbürger sich prinzipiell vorstellen können, die Grünen zu wählen.

Dabei schienen die Grünen nach Fukushima auf dem unaufhaltsamen Weg zur dritten Volkspartei zu sein. Doch sie waren zu hoffärtig gegenüber den Wählern und glaubten, alles laufe wie von selbst auf einen zu. Das rächt sich nun. Und genau davor hatte der mit feiner Sensorik ausgestattete baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewarnt, als er frühzeitig Zweifel an den Steuerplänen anmeldete.

„Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“, so hieß der unselige Wahlslogan, der den Grünen 1990 ein Debakel bescherte. Wer die Wirklichkeit ignoriert, wird abgestraft. Auch in diesem Wahlkampf sind ihnen alle Kernthemen auf die Füße gefallen. Der Unmut über die miserabel gemanagte Energiewende wendet sich aus Angst vor drastisch steigenden Strompreisen auch gegen die Grünen – obwohl die Bundesregierung dies zu verantworten hat. Auch die Datenschnüffelei der Geheimdienste lässt die Wähler seltsam unberührt. Vor allem die Steuerpläne sind ein schleichend wirkendes Gift in der eigenen Wählerschaft.

Gerade die städtische Mittelschicht mit ökologischem Bewusstsein und sozialem Gerechtigkeitsempfinden, die grünen Kernwähler also, merken, dass etwas nicht stimmt. Da mag Trittin noch so laut widersprechen: Die Rechnung, dass bei einem jährlichen Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers von 30 000 Euro nur die oberen zehn Prozent der Einkommen mehr zahlen müssen, ist falsch. Die grünen Zauberlehrlinge kommen auf diesen Schnitt nur, weil sie alle Teilzeitbeschäftigten mit einbeziehen.

In der Realität sieht es anders aus. Die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent und die Abschaffung des Ehegattensplitting belasten Familien bereits mit einem Einkommen ab 60 000 Euro. Da aber liegen die jungen, emanzipierten Familien mit Kindern und zwei vollzeitbeschäftigten, qualifizierten Verdienern schnell drüber. Dann geht es ans Geld bei Familien, die sich nicht als Großverdiener begreifen. Im Vergleich fallen selbst die Steuerpläne von SPD für Einkommen über 100 000 Euro oder der Linkspartei – 72 000 Euro – milde aus.

Für die Grünen könnten die nächsten zwei Wochen traurig werden. Zum Umsteuern ist es zu spät. Und nichts ist in Sicht, was eine Wende bringen könnte; dazu ist auch die Frage über ein militärisches Eingreifen in Syrien zu kontrovers. Durchaus möglich, dass am Ende die Steinbrück-SPD einen starken Endspurt hinlegt und Rot- Grün am schlechten Ergebnis der Trittin-Truppe scheitert.

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