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Viereinhalbjahre Haft: Angeklagter Onur U. bei einem der ersten Verhandlungstermine.

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Urteil im Fall Jonny K.: Alles ist allen zuzuordnen

Das Urteil im Fall Jonny K. bestärkt diejenigen, deren Vertrauen in den Rechtsstaat auf einer nach Gesetzen urteilenden Gerichtsbarkeit beruht. Alles andere ist Sache der Politik und der Gesellschaft.

Der Wunsch von Jonny K’s Schwester hat sich nicht erfüllt. „Ich will die Wahrheit wissen“, hatte sie am ersten Prozesstag gesagt. Doch es ließ sich bis zum Ende des Verfahrens nicht klären, welcher Schlag oder Tritt zum Tod des jungen Mannes geführt hat. Dennoch legte sich die Strafkammer auf einen Hauptverantwortlichen fest: Entscheidend sei der erste Schlag gewesen, sagte der Vorsitzende Richter, und den habe Onur U. ausgeführt. Das Urteil ist folgerichtig, es entspricht dem Verlauf des Verfahrens und der Aussage von Zeugen; es ist nicht ganz zweifelsfrei, was die Höhe der Strafe für den Wiederholungstäter Onur U. betrifft, dessen Anti-Gewalt- Training nach früheren Vorfällen ein durchschlagender Misserfolg war – und es ist anfechtbar. Das letzte Wort in diesem Fall wird die Urteilsbegründung jedenfalls nicht gewesen sein: Onur U.’s Anwalt kündigte unmittelbar nach der Verhandlung an, das Urteil anzufechten. Der Fall Jonny K. wird die Stadt weiter beschäftigen – juristisch und politisch.

Der Fall Jonny K. brachte eine hitzige und zuweilen hysterische Stimmung nach Berlin

Innensenator Henkel hatte gleich nach der nächtlichen Tat zwischen Rotem Rathaus und Alexanderplatz den Ton vorgegeben für eine hitzige, zuweilen hysterische Stimmung. Diese Stimmung, von manchen Medien befeuert, löste einen Sicherheitsplacebowettstreit zwischen den Parteien aus, brach sich Bahn in rassistischen Worten im Kondolenzbuch und in Onlineforen, führte dazu, dass Haftrichter und Rechtsanwälte angefeindet wurden und verführte auch einen Schöffen, im Gericht gegenüber einem schwankenden Zeugen die Contenance zu verlieren und sich anschließend in einem Gespräch mit Boulevardjournalisten endgültig zu desavouieren, so dass der Prozess platzte und neu angesetzt werden musste. „Ich will das nicht verstehen“, hatte Henkel über die Tat gesagt. Menschlich ist das nachvollziehbar, doch weder war es dem Amt angemessen, noch war es hilfreich, für niemanden.

Jeder der Angeklagten hätte den Angriff auf Jonny K. stoppen können

So wie Henkel empfanden viele. Nicht jedoch Jonny K’s Schwester, deren beherrschtes Verhalten, deren Aufklärung, nicht Rache forderndes Auftreten hoch zu achten ist. Und schon gar nicht der Richter, der deutlich machte, dass es eine Vorverurteilung bei ihm nicht gebe. So unaufgeregt wie möglich hat er das Verfahren durchgezogen, am Ende standen deutliche Worte: Onur U. habe die Schlägerei in einer Mischung aus Dummheit, Arroganz, Unverschämtheit und Aggressivität angezettelt. Nur mit dem Begriff der Tragödie, die sich abgespielt habe, liegt der Richter falsch, denn schicksalhaft, unausweichlich war das Ende nicht. Jeder der Angeklagten hätte die Raserei stoppen können, doch dazu waren sie wohl zu feige gegenüber den Freunden. Der eigentlich wichtigste Satz des Vorsitzenden lautete deshalb auch: „Alles, was danach passierte, ist allen zuzuordnen“ – danach, nach dem ersten Schlag. Dass auch sie, die nicht als Haupttäter zählen oder als solche überführt werden konnten, zu Haftstrafen verurteilt wurden, wenn auch nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge, ist deshalb konsequent und richtig. Ihre Haftverschonung gilt nur, bis das Urteil rechtskräftig ist.

Prozess und Urteil im Fall Jonny K. bestärken das Vertrauen in den Rechtsstaat

In den Tagen nach der Tat hatte sich hilflose Wut auch gegen die Justiz gerichtet, aus Unverständnis, aus Nicht-verstehen-Wollen heraus. Das Verfahren und das Urteil bestärken nun diejenigen, deren Vertrauen in den Rechtsstaat auf einer unabhängigen, nicht Stimmungen unterworfenen, sondern nach Wahrheit suchenden und nach Gesetzen urteilenden Gerichtsbarkeit beruht. Alles andere ist Sache der Politik und der Gesellschaft.

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