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Gesine Lötzsch ist Vorsitzende der Partei "Die Linke".

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Linke-Chefin Gesine Lötzsch: Vertrauensbildende Maßnahme in NRW

Um diese Bundesregierung abzulösen, braucht man eine längerfristige Strategie. Die Minderheitsregierung in NRW eröffnet große Chancen.

Ich werde die SPD nie beschimpfen. Ich will sie verstehen. Das ist nicht immer ganz leicht, schwankt sie doch in ihrer Programmatik zwischen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Doch mir ist auch klar, dass es die Sozialdemokraten mit uns nicht immer leicht haben. Die Existenz der Partei „Die Linke“ ist für die SPD eine andauernde Zumutung. Wir werden wie ein ungewolltes und ungeliebtes Kind behandelt. Wir verhalten uns nicht so, wie es die gesellschaftlichen Normen verlangen. Das ist der etablierten SPD sichtlich unangenehm.

Wir haben unseren eigenen Kopf und werden dafür immer wieder in die Ecke gestellt und sollen zum Gespött der Leute gemacht werden. Wir werden aufgefordert, uns nun endlich zu ändern, uns anzupassen, einsichtig zu sein und uns für unsere Existenz zu entschuldigen. Uns wird Undankbarkeit und Verbohrtheit vorgeworfen, wenn wir nicht folgsam sind. Das erinnert alles an bundesrepublikanische Erziehungsmethoden der 50er Jahre.

Es stellt sich jetzt bei einigen Sozialdemokraten eine gewisse Ratlosigkeit ein, wie man mit uns umgehen soll. Braucht man neue Erziehungskonzepte? Sollte man einfach damit leben, dass es immer ein schwarzes Schaf in der Familie gibt, oder sollte man jede Verwandtschaft leugnen? Die SPD hat sich offenbar für Letzteres entschieden. Unsere Existenz wird frustriert hingenommen, doch man möchte nicht in der Öffentlichkeit mit uns gesehen werden. Entweder wir folgen stillschweigend den nonverbalen Anweisungen der SPD-Führung, oder wir müssen mit Liebesentzug und Beschimpfungen rechnen.

So war es bei der Wahl des Bundespräsidenten. SPD und Grüne hatten – ohne mit uns nur ein Wort zu sprechen – einen Kandidaten auserkoren, von dem sie wussten, dass er für uns nicht wählbar ist. Damit wurden wir in die Ecke gestellt. Die Aufforderung, wir sollten doch über unseren SED-Schatten springen, ist ziemlich absurd. Gerade ehemalige Mitglieder der SED hatten sich öffentlich für eine Wahl von Joachim Gauck ausgesprochen in der Hoffnung auf mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Insbesondere ehemalige Mitglieder der SPD in unserer Partei haben die Wahl von Gauck vehement abgelehnt, weil für sie der Kandidat von SPD und Grünen den schröderischen Geist der Agenda 2010 ausströmte. SPD und Grüne sind mit dieser Aktion zur Ablösung der Bundesregierung keinen Schritt weitergekommen. Nur durch die Aufstellung einer eigenen Linkspartei-Kandidatin bekamen Abweichler der Regierungsparteien die Chance, der Kanzlerin einen Denkzettel zu verpassen. Christian Wulff ist nun Bundespräsident, und SPD und Grüne stehen mit leeren Händen da. Ihre Strategie ist gescheitert. Die Kanzlerin kann man mit solchen Taschenspielertricks nicht aus der Reserve locken.

Die Wahl des Bundespräsidenten war für SPD, Grüne und „Die Linke“ wie ein reinigendes Gewitter. Wir sind alle nass geworden, weil wir keine gemeinsame Strategie hatten. Um diese Regierung abzulösen, braucht man eine längerfristige Strategie. Ein erster Schritt könnte die Minderheitsregierung in NRW sein. Ich bevorzuge zwar Koalitionen, die auf der Grundlage eines Vertrages regieren, betrachte diese Koalition aber als Möglichkeit zur Vertrauensbildung. SPD und Grüne werden im politischen Alltagsgeschäft lernen, dass „Die Linke“ berechenbar ist. Sie wird immer dann die Regierung unterstützen, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Umweltschutz und Bildung geht.

Die Regierung in NRW wird erfolgreich sein, wenn sie sich von der Agenda 2010 löst und Alternativen aufzeigt, die für die ganze Bundesrepublik attraktiv sind. Wenn die NRW-Regierung und auch die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg mit einer demokratischen, sozialen, ökologischen und lobbyfreien Politik ein Kontrastprogramm zur Bundesregierung bieten, dann gibt es 2013 eine Chance für eine Bundesregierung der sozialen Gerechtigkeit und des ökologischen Wandels.

Die Autorin ist Vorsitzende der Partei „Die Linke“.

Gesine Lötzsch

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