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Papst Franziskus wird in Lima von Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski empfangen.

© Alessandra Tarantino/AP/dpa

Vielvölkerstaat Peru: Der Papst im Land der Inka

Wie auch immer der Gott der Inka und der Papst zusammengehen: In Peru gibt es viel über das selbstverständliche Ineinanderfassen unterschiedlicher Kulturen zu lernen.

Der Papst kommt in das Land der Inkas, und fast alle heißen ihn willkommen: Die Kassiererinnen in limenischen Supermärkten tragen Papst-Shirts. Überall in der Stadt hängen großformatig seine Bilder, darunter steht: Die Universität so und so heißt dich willkommen, Papa. Die Bezirksverwaltung so und so heißt dich willkommen, Papa. Gezeichnete Bilder gibt es vom Papst, die die Umrisse Perus zu seinem Körper formen und auf Peru sitzt dann der Kopf des Papsts.

Auf dem Weg zum Flughafen stehen in einem Meter Abstand Polizisten mit Wasserflaschen zwischen den Füßen soweit das Auge reicht. Der Verkehr ist unterbrochen. Die Reisenden tragen ihre Koffer zu Fuß über Autostraßen und durch die Menschenmengen, die Papa Franzisco begrüßen möchten. Es ist der erste Papstbesuch seit Jahrzehnten und außerdem Gründungstag der 483 Jahre alten Hauptstadt.

Vor der Christianisierung die Inkas

Im Jahr der Gründung Limas war Peru noch kaum christlich, die Christianisierung begann erst. Zwei Jahre zuvor hatten die spanischen Invasoren den Inka-Herrscher Atahualpa hingerichtet, wodurch das Inka-Reich zusammenbrach und ein zäher, 40 Jahre währender Widerstandskrieg der Inkas gegen die spanischen Besatzer begann. Der Legende nach sind nicht alle Inkas den Spaniern erlegen. Sie konnten mit ihrem Gold in den Dschungel fliehen, wo sie bis heute in ihrer Tradition weiterleben. Gerüchte besagen, dass allein die Kirche Informationen darüber habe, wo sich die verlorene Stadt der Inkas befindet, diese aber streng geheim halte. Laut einer weiteren Legende finde nur, wer ein reines Herz habe, die Stadt der Inkas. Die Inkas haben selbst viele ältere Kulturen Perus unterworfen. Allerdings war Gewalt, heißt es, das letzte Mittel, auf das sie zurückgegriffen hätten. Mit wirtschaftlichen und kulturellen Angeboten versuchten sie die anderen Kulturen in ihr Reich zu integrieren. Auch hätten sie – selbst bei gewaltvoller Unterwerfung – niemals die Götter der Anderen geschmäht.

So finden sich beispielsweise in der Stadt Ollantaytambo Fenster unterhalb des Sonnentempels, wo die Götzen der unterworfenen und integrierten Völker Platz gefunden haben sollen, die weiterhin angebetet werden durften: Das Inka-Reich war ein Vielvölkerstaat. Das ist es immer noch. Die Kultur der Inkas ist weiterhin präsent in den Anden. Ihre Sprache, Quechua, wird heute von zehn Millionen Menschen gesprochen. Ihre Muster und Symbole werden in Tücher genäht. Einige Bauern beackern immer noch die landwirtschaftlichen Terrassen der Inkas und halten in ihrer Tradition Zeremonien ab, bevor sie die Saat säen.

Der Papst als Vertreter des Sonnengottes

Zufällig geriet ich in eine solche Ernte-Zeremonie: Die Bauern legten ein Kruzifix aus Kartoffeln in die aufgewühlte Erde. Man erklärte mir, dass das Kreuz zu dem Berg der Inkas und zur Sonne weise – hier hatte der Inka-König Pachacutec das Gesicht eines Inkas in den Berg hauen lassen. Im Übrigen sei völlig klar, dass der Vater Gottes, der Gott der Inkas sei, nämlich Wiraqucha – der Erschaffer von Sonne und Mond.

Während ich zu Fuß durch Callao irre, weil alle Straßen gesperrt sind, denke ich: Ist der Katholizismus womöglich eine weitere Religion, die der Inka-Staat integriert hat? Und der Papst besucht nicht nur ein mehrheitlich katholisches, lateinamerikanisches Land, sondern wird als Vertreter des Sonnengottes im Inka-Reich empfangen? Wie auch immer Wiraqucha und der Papst zusammengehen, ganz sicher gibt es hier viel zu lernen über das Aushalten von Widersprüchen und das selbstverständliche Ineinanderfassen unterschiedlicher Kulturen.

Deniz Utlu

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