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Außenminister Guido Westerwelle bei seinem Libyen-Besuch im Juni.

© dpa

Deutsche Politik und Libyen: Westerwelles Irrtümer

In den Tagen, in denen die Welt mit großen Augen die verwirrenden Nachrichten aus Tripolis verfolgt, lassen Guido Westerwelle und andere Regierungsvertreter keine Anzeichen von Selbstkritik erkennen.

Von Hans Monath

Wahre Größe in der Politik zeigt sich im Eingeständnis eigener Fehler. Souverän ist, wer sich korrigiert. Und aus Fehlern kann man lernen. Unter der Voraussetzung, dass man sie sich genau ansieht. Und bereit ist, umzudenken.

Doch die Botschaft der Bundesregierung zum libyschen Drama gleicht einem Durchhalteappell. Der Außenminister verteidigt seine Friedenspolitik, die gut gemeint sein mag, aber nicht gut gemacht ist. Angeblich war und bleibt die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat richtig. Und angeblich hat die deutsche Diplomatie mit ihren Sanktionsbeschlüssen zum Vormarsch der Rebellen auf Tripolis nicht weniger beigetragen als Tausende von Nato-Bombenangriffen.

Leider ist das ein plumper Versuch der Geschichtsklitterung. Es gab jenseits der generellen Skepsis der Deutschen gegen Auslandseinsätze und jenseits der damals bevorstehenden Landtagswahlen sachliche Gründe, die Hauruck-Entscheidung Nicolas Sarkozys für den Luftkrieg gegen Gaddafi und den plötzlichen Schwenk der US-Außenpolitik als gefährlich einzustufen und die Bundeswehr aus der Mission herauszuhalten.

Doch ohne die massive Militärintervention der Nato wären die Rebellen von Bengasi damals innerhalb von Tagen von Gaddafis Elitetruppen abgeschlachtet worden. Der Diktator wäre dann noch immer an der Macht und würde Journalisten weiter bizarre Interviews geben. Der internationale Haftbefehl und Sanktionen allein hätten ihn wenig beeindruckt.

Es lohnt sich nachzulesen, wie der Außenminister damals den deutschen Affront gegen die Verbündeten begründete. Ganz oben stand die Furcht, dass Militärschläge einen Aufstand der arabischen Massen gegen eine westliche Einmischung entfachen und den Aufbruch der gesamten Region innerhalb von Tagen beenden könnten. Das war ein kluger Einwand, doch der Aufstand blieb aus.

Dann beschwor Westerwelle das Risiko, dass eine isolierte Nato in einen Krieg ohne Ende verwickelt würde und schließlich Bodentruppen schicken müsste. Auch diese Gefahr scheint gebannt, seit die Rebellen vor Gaddafis Residenz stehen. Schließlich bemängelte die deutsche Außenpolitik, dass den Verbündeten ein Plan für die Zeit nach Gaddafis Sturz fehlte. Das ist immer noch so, denn niemand hat eine Blaupause für die notwendige politische Versöhnung zwischen Rebellen und Gaddafi-Anhängern. Doch vor einem halben Jahr war Libyen ein großes Gefängnis. Nun ist seine Zukunft zumindest offen, die Libyer können selbst über sie entscheiden.

Allein eine libysche Katastrophe und die Explosion der ganzen Region hätte die Bundesregierung mit ihren Argumenten ins Recht setzen können. Im Stillen hat sie die Enthaltung längst als Fehler abgebucht und Schlüsse gezogen, die nicht zu den öffentlichen Begründungen passen. Längst hat sie sich um Schulterschluss mit den Nato-Partnern bemüht und deutsche Soldaten in die integrierten Stäbe geschickt, die Luftangriffe vorbereiten. Längst hat Berlin die zuvor als Halunken geschmähte Übergangsregierung anerkannt, nun soll diese deutsche Darlehen bekommen. Doch Westerwelle weigert sich weiter, sich mit dem Scheitern seiner Thesen auseinanderzusetzen. Stattdessen präsentiert er sich als Helfer für das neue Libyen, dem er aber nicht viel Konkretes anbieten kann.

Die einzig öffentliche Kurskorrektur nahm nicht Westerwelle vor, sondern Thomas de Maizière. Der Verteidigungsminister bestimmte die Regierungslinie mit seiner Aussage, jede Anfrage nach deutschen Soldaten für eine Stabilisierungstruppe für Libyen wohlwollend zu prüfen. Womöglich wird das nie nötig werden, doch schon die Bereitschaft ist wichtig. Diese Ankündigung dürfte nicht die einzige Kompensation bleiben, die Deutschland beim Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes leisten muss. Wer Fehler macht, muss auch bezahlen. Am teuersten aber kommen einen die Fehler, aus denen man nichts lernen will.

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