zum Hauptinhalt

Folgen der Katastrophe in Japan: Wo aber Gefahr ist …

… wächst das Rettende auch. Es gibt nicht nur posttraumatische Belastungen, sondern auch posttraumatisches inneres Wachstum, erklärt unser Wissenschaftsredakteur Hartmut Wewetzer. Japan kann aus der Krise gestärkt hervorgehen.

"Wenn die Nation zusammensteht, werden wir die Krise überwinden“, hat Japans Premierminister Naoto Kan vor der Presse versichert. Kan wird aller Wahrscheinlichkeit nach recht behalten. Mehr noch: Die Japaner können am Ende gestärkt aus der Katastrophe hervorgehen.

Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick angesichts des Ausmaßes der japanischen Tragödie und des Leidens der Bevölkerung fast zynisch. Aber es gibt Gründe, die dafür sprechen, wie die Zeitung „International Herald Tribune“ meint. Einer davon heißt „posttraumatisches Wachstum“ und ist sozusagen das Gegenteil einer posttraumatischen Belastungsstörung. Bei dieser stehen die Spätfolgen eines schlimmen Lebensereignisses im Vordergrund, etwa Depressionen und Schlafstörungen.

Inzwischen jedoch mehren sich die Hinweise, dass die meisten Menschen die Fähigkeit besitzen, an schweren Krisen innerlich zu wachsen. Wer in den Abgrund geblickt oder vielleicht sogar in ihn herabgestiegen ist, kehrt oft geläutert und gereift in die Normalität zurück. Der Blick auf das Leben und seine Zerbrechlichkeit hat sich gewandelt, es wird mit all seinen alltäglichen Kleinigkeiten mehr geschätzt, Beziehungen zu anderen Menschen verbessern sich, neue Chancen werden gesehen.

„Wachstum“ ist hier nicht einfach mit Optimismus oder mit einer „Abhärtung“ im Sinne Nietzsches („Was uns nicht umbringt …“) gleichzusetzen. Gemeint ist auch nicht, dass das Erlebte banalisiert und verdrängt wird. Es verschwindet nicht, die Erinnerungen belasten auch weiterhin. Aber das Negative hat ein Gegengewicht bekommen.

„Ich bin verletzbarer, aber stärker“, lautet die paradoxe Formel, berichten die amerikanischen Psychologen Richard Tedeschi und Lawrence Calhoun, die sich intensiv mit „posttraumatischem Wachstum“ befasst und den Begriff geprägt haben.

Ein Gefühl der Sicherheit, Ruhe, das Empfinden, Probleme gemeinsam lösen zu können, soziale Unterstützung und Hoffnung sind fünf wichtige Elemente, die es erleichtern, ein Massentrauma zu bewältigen. Aufgestellt hat diese Liste ein internationales Team von Gesundheitsexperten vor vier Jahren. Etliche dieser Bedingungen sind in Japan bereits gegeben. Hinzu kommen traditionelle Stärken der japanischen Kultur, Selbstlosigkeit, Disziplin, ein hoher Ausbildungsstand und die Erfahrung, immer wieder große Krisen, seien es Naturkatastrophen oder Kriege, gemeinsam gemeistert zu haben.

„Das Leben hat einen Sinn und behält ihn unter allen Umständen auch im Leiden“, hieß das unerschütterliche Credo des österreichischen Psychiaters und Psychotherapeuten Viktor Frankl, der Ghetto und KZ überlebte und sich sein Leben lang darum bemühte, Menschen in existenziellen Krisen zu helfen und vom Suizid abzubringen. Frankl hat selbst erfahren, was es heißt, trotz schrecklicher Erfahrungen nicht das Urvertrauen in das Leben zu verlieren. Seine Weisheit gibt Hoffnung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false