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Im Berliner Umland gibt es genügend Platz, nur die Verbindung lässt zu wünschen übrig.

© dpa

Wohnungsmangel in Berlin: Auf dem Land lebt es sich entspannt

In Berlin kursieren abenteuerliche Einwohnerprognosen und die Stadt will mehr Wohnraum schaffen. Dabei denkt kaum jemand an die Vorteile, die Berlins menschenleeres Umfeld liefert - gäbe es denn bessere Verbindungen dorthin.

Meine erste Wohnung in Berlin war in einem gewöhnungsbedürftigen Rosaton gestrichen, der Teppichboden trug ein fleckiges Milchkaffeebraun. Für beides habe ich eine Ablösesumme von 8000 Mark bezahlt. Sonst hätte ich die zwei Zimmer in einer wenig angesagten Lage nicht bekommen. Das war 1991, alle redeten davon, dass Berlin bald acht Millionen Einwohner und viel zu wenig Wohnungen haben werde. Meine zweite Wohnung war dann deutlich billiger, dafür heller, größer und zentral in Schöneberg gelegen. Der Vermieter baute vor dem Einzug noch eine Küche ein. Das war 1997. Alle sagten, dass die Berlin-Euphorie für immer vorbei sei, die Stadt sei zum Schrumpfen verurteilt. Ich hatte Mitleid mit Berlin.

Alle Prognosen, Berlin betreffend, waren falsch: Wer in den 90er Jahren die Wette auf einen massiven Einwohnerzuwachs gemacht hat, hat bittere Verluste erlitten. Wer vor der Jahrtausendwende glaubte, Berlin werde eine Brachlandschaft, hat sich ebenfalls vertan. Jetzt kursieren wieder abenteuerliche Einwohnerprognosen, verbunden mit dem waghalsigen Imperativ: bauen, mehr bauen, noch mehr bauen! Es wird wieder anders kommen. Das heißt nicht, dass der Senat einfach abwarten kann. Er muss und er kann sich um das Problem kümmern. Berlin hat immense innerstädtische Grundstücksreserven und ein ziemlich menschenleeres Umland. Statt jetzt nach massenhaftem Sozialwohnungsbau oder rigiden Milieuschutzverordnungen zu verlangen, hat die Stadt selbst es in der Hand, die Mietenentwicklung zu moderieren. Je weniger Auflagen sie sich für mögliche Baugebiete auf eigenem Grund ausdenkt, desto preiswerter, höher und dichter wird dort gebaut werden können.

Ursula Weidenfeld ist freie Publizistin. Die Ökonomin war Chefredakteurin der Zeitschrift "Impulse" sowie stellvertretende Chefredakteurin und Chefin des Wirtschaftsressorts des Tagesspiegels.
Ursula Weidenfeld ist freie Publizistin. Die Ökonomin war Chefredakteurin der Zeitschrift "Impulse" sowie stellvertretende Chefredakteurin und Chefin des Wirtschaftsressorts des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Klüger noch wäre es, endlich für eine bessere Verbindung der entspannten Wohngegenden Brandenburgs mit Berlin zu sorgen. Bad Belzig beispielsweise, eine behagliche Stadt im Süden Brandenburgs, steht nahezu leer. Mit dem Zug kommt man von dort in einer Stunde zum Berliner Hauptbahnhof. Von Brandenburg zum Bahnhof Zoo dauert es nur 40 Minuten. Würden die Züge öfter und ein bisschen schneller fahren, würden Wittenberge, Brandenburg, Luckenwalde und Bad Freienwalde zu ordentlichen Vorstädten Berlins. Am Ende würden zwar nicht alle in Berlin wohnen. Aber alle würden schnell hinkommen.

Wenn die Berlin-Luxus-Blase platzt, ist es immer noch früh genug, wieder in die Stadt zu ziehen. Diesmal bliebe der Stadt dann sogar vielleicht ein Bauskandal nach dem Strickmuster der Bankgesellschaft erspart.

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