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Welche Türen muss ein Politiker der Wirtschaft öffnen? Welche sollte er ihr besser vor der Nase zuschlagen? Pflegen sie Kontakte zu Investoren, brauchen Politiker Fingerspitzengefühl.

© dpa

Wulff, Wowereit und die Wirtschaft: Politiker in der Grauzone

Klaus Wowereit will nicht noch mal nach London mitfliegen – warum bloß nicht? Um die Stadt wirtschaftlich voranzubringen, ist die Pflege persönlicher Kontakte wichtig.

Das Wesen von Grauzonen ist, dass sich dort Schwarz und Weiß nicht trennen lassen. Wenn es, wie jetzt bei Wulff und Wowereit, um die Nähe zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Volksvertretern und Managern geht, dann ist die strafrechtliche Beurteilung die einfachste. Der Staatsanwalt und später möglicherweise ein Richter müssen sich anhand der Gesetze entscheiden: schwarz oder nicht schwarz. Im Zweifel hat die Abwägung zugunsten des Beschuldigten oder Angeklagten auszugehen.

In dieser Sphäre bewegt sich der Fall Wulff. Es kann so kommen, dass die Ermittlungen eingestellt werden, weil keine strafrechtlich relevante Tat nachgewiesen wird. Aber das Verhalten des zurückgetretenen Bundespräsidenten wäre auch in diesem Fall nicht über alle Kritik erhaben. Seine Beziehung zu dem Filmproduzenten David Groenewold läge immer noch in einer Grauzone – nicht schwarz, aber eben auch nicht weiß.

Der Fall Wowereit, wenn es überhaupt einer ist, bewegt sich nicht oder noch nicht in der strafrechtlichen Sphäre. Dass der Regierende Bürgermeister sich selbst in einer Grauzone sieht, lässt er deutlich erkennen. „Ich würde das nicht mehr machen“, sagt er und verweist auf Spenden, mit denen er die Einladungen kompensiert haben will. Wenn seine nur nach und nach preisgegebenen Angaben zutreffen, wenn da nicht noch mehr war – dann bleibt allerdings rätselhaft, was er an seinem eigenen Verhalten auszusetzen hatte und welchen Maßstab er eigentlich anlegt. Zweimal ist er demnach im Privatjet des Unternehmers Heinz Dürr nach London mitgeflogen, um an Veranstaltungen eines privaten Berliner Wirtschaftsklubs teilzunehmen. Ärmlich ging es nicht zu, es wurde auch Golf gespielt. Aber reicht das, um Wowereit einen Vorwurf zu machen? Müsste man ihn nicht eher bitten, mehr solche halb dienstlichen, halb privaten Veranstaltungen wahrzunehmen und für Berlin zu werben?

Denn hätte er das Ganze als Dienstreise deklariert, wäre also mit Gefolge auf Staatskosten angereist, wäre ihm ganz sicher ein Vorwurf zu machen gewesen. Und wäre er dagegen rein privat unterwegs gewesen, hätte er sich vermutlich auf seinen Abschlag konzentriert und sich nicht um Begehrlichkeiten von Unternehmern gekümmert. Der persönliche Nutzen der Reise scheint nach jetzigem Kenntnisstand jedenfalls nicht ihr Anlass gewesen zu sein. Wie viel Nähe geboten ist, was zu viel ist, wann aus einem Netzwerk Kumpanei wird, lässt sich pauschal gar nicht beantworten. Weil aber schon der Anschein von Fehlverhalten schadet, sollte Transparenz nicht erst Jahre später widerstrebend geschaffen werden.

Aber gerade ein Standort wie Berlin, der von dem durchschnittlichen deutschen Wohlstandsniveau noch weit entfernt ist, kann nur vorankommen, wenn Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Es sind Menschen, die das tun müssen, es geht dann auch um gegenseitiges Vertrauen, um persönliche Beziehungen. Darauf hat sich Klaus Wowereit zu lange zu wenig konzentriert.

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