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Volle Wartezimmer. Um beim Arzt vorgelassen zu werden, müssen Kassenpatienten oft viel Geduld aufbringen.

© picture alliance / dpa

Mediziner wehren sich gegen zentrale Terminvergabe: Kassenärzte: Lange Wartezeiten sind nur ein Komfortproblem

Die Mediziner lehnen eine zentrale Terminvergabe ab – und verweisen auf eine Patientenumfrage. Demnach können 90 Prozent mit den Wartezeiten beim Arzt leben. Nur jedem Zehnten dauert es zu lang.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stemmt sich gegen die Pläne der Regierung, überlange Wartezeiten für Kassenpatienten mithilfe zentraler Terminvergabestellen zu verhindern – und kann dabei nun auch mit den Ergebnissen einer Patientenbefragung argumentieren. Nach einer aktuellen Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen hat es nur jedem Zehnten bei seinem letzten Arztbesuch mit der Terminvergabe zu lange gedauert. Und drei von vier Patienten legen Wert darauf, im Fall des Falles von ihrem Wunsch-Facharzt behandelt zu werden und nicht von irgendeinem Mediziner, der ihnen von einer Terminvergabestelle vermittelt wird.

Mediziner werfen der Politik Populismus vor

Das Wartezeiten-Thema sei von der Politik „populistisch hochgespielt worden“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen am Mittwoch bei der Präsentation der Umfrageergebnisse in Berlin. Tatsächlich handle es sich um ein „Jammern auf hohem Niveau“ und ein „Komfortproblem“. In anderen Ländern löse die Debatte darüber Kopfschütteln aus.

Im Gesundheitsministerium sehen sie das anders. Noch in diesem Jahr will Minister Hermann Gröhe (CDU) einen Gesetzentwurf vorlegen, der Kassenpatienten zeitnahe ärztliche Behandlungen garantiert. Dank zentraler Terminvergabestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen sollen die Versicherten dann nicht mehr länger als vier Wochen auf einen Arzttermin warten müssen. Im anderen Falle sollen sie das Recht erhalten, sich ambulant im Krankenhaus behandeln zu lassen. Was den Kassenärzten vor allem deshalb wehtäte, weil ihnen diese Behandlungen dann auch aus dem Gesamthonorar gekürzt würden.

Jeder Vierte wartet länger als drei Wochen

Der Studie zufolge, für die mehr als 6000 Bundesbürger befragt wurden, erhielten 62 Prozent der Patienten im vergangenen Jahr innerhalb von drei Tagen einen Arzttermin. Allerdings gaben auch 24 Prozent an, beim letzten Versuch länger als drei Wochen auf eine Behandlung beim Facharzt gewartet zu haben. Zudem belegt die Umfrage, dass es sich dabei vor allem um ein Problem der gesetzlich Versicherten handelt. Von den Privatpatienten mussten sich nur vier Prozent länger als drei Wochen gedulden.

Gassen räumte ein, dass es „tendenziell schwieriger“ geworden sei, bei Ärzten bestimmter Fachrichtungen einen Termin zu erhalten. Dies betreffe insbesondere Urologen sowie Haut- und Frauenärzte. Der Anteil derer, die länger als drei Tage warten mussten, habe sich innerhalb eines Jahres von 32 auf 37 Prozent erhöht. Allerdings müsse man hier auch mal auf andere Dienstleister sehen, betonte der KBV-Vorsitzende. Einen Klempner oder einen Friseurtermin bekomme man „wahrscheinlich nicht so schnell“. Und selber nähmen es viele Patienten mit ihrer Termintreue auch nicht so genau. So habe fast jeder Vierte angegeben, einen vereinbarten Arzttermin im vergangenen Jahr kurzfristig nicht eingehalten zu haben.

Künftig Tarife mit eingeschränkter Arztwahl?

Durch die zentrale Terminvergabe werde den Patienten die freie Arztwahl genommen, warnte Gassen – ein „hohes Gut“, das ihnen, wie die Studie ergeben habe, enorm wichtig sei. „Wir lehnen eine zentrale Lösung ab, da diese nicht nur die Arztfreiheit aufhebt, sondern auch dem Wunsch vieler Patienten entgegenläuft.“ Angesichts des zunehmenden Ressourcenmangels müsse man allerdings über andere Lösungen nachdenken, sagte der KBV-Chef. Denkbar seien etwa Tarife, bei denen die Versicherten selbst entscheiden könnten, ob sie ihren freien Arztzugang komplett beibehalten oder einschränken lassen wollten. Bisher traue sich die Politik aber „nicht, dieses vermeintlich heiße Eisen anzufassen.

Der Vorstandschef der Barmer GEK, Christoph Straub, forderte die Kassenärzte auf, ihre Skepsis gegenüber den Regierungsplänen aufzugeben. Mit der Bevorzugung von Privatpatienten bei der Terminvergabe müsse Schluss sein. „Wir haben hier ein Problem, und die Ärztefunktionäre müssen es lösen.“ Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, betonte, dass eine zentrale Terminvergabe besonders den Pflegeheim-Bewohnern helfe. Obwohl für sie ein Extrahonorar gezahlt werde, sei ihre Facharztversorgung mangelhaft.

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