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Der Gerichtssaal in München.

© dpa

169. Prozesstag: NSU-Prozess: Die dreiste "Blood & Honour"-Zeugin

In München geht der NSU-Prozess weiter. Eine besonders dreiste Zeugin aus dem Umfeld des Skinhead-Netzwerks "Blood & Honour" muss wieder in den Zeugenstand.

Von Frank Jansen

Der Ton bleibt provozierend naiv. „Ich weiß nicht, vielleicht waren es Studiomusiker“ sagt Antje B., als der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sie nach der Band ihres großen Vorbilds fragt, des verstorbenen  Skinheads und Gottvaters der rechtsextremen Vereinigung Blood & Honour, Ian Stuart Donaldson. „Ist Ihnen der Bandname ein Begriff?“ hakt Götzl nach. „Wie meinen Sie das?“ antwortet die Zeugin. Götzls Stimme wird jetzt schärfer, „der Begriff ist klar formuliert“.

Da fällt es Antje B. plötzlich ein. „Skrewdriver, genau“, jetzt weiß sie die Band ihres Lieblingsmusikers, eine Kulttruppe der rechten Szene, plötzlich doch. Götzl will wissen, worum es in den Liedtexten ging. Die Frau mit dem schwarzen Stirnband zögert die Antwort wieder hinaus, „es ging um den Zusammenhalt“, sie nuschelt jetzt nur noch, „um ein weißes Europa“.

Wäre Antje B. für den NSU-Prozess eine eher unwichtige Zeugin, würde man sich an diesem Mittwoch wünschen, Richter Götzl setze dem nervenden Gezerre bald ein Ende. Doch die vierfache Mutter, 40 Jahre alt, war eine wichtige Figur in der sächsischen Sektion der internationalen Skinhead-Vereinigung „Blood & Honour“, aus der 1998 mutmaßlich die späteren NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und die mit ihnen untergetauchte Beate Zschäpe unterstützt wurden.

Antje B. mauert weiter

Antje B. soll ihren Reisepass angeboten haben, damit Zschäpe ins Ausland hätte fliehen können, nach Südafrika. Außerdem war die Zeugin eng befreundet mit dem sächsischen Blood & Honour-Anführer Jan W., der möglicherweise in die Beschaffung von Waffen für die Terrorzelle eingebunden war. Der Ex-Mann von Antje B., selbst einst rechtsextremer Skinhead, wollte  vergangene Woche als Zeuge über seine frühere Frau nichts sagen - aus Sorge, sie dann zu belasten.

Schon vorher war jedoch klar, dass  die erste stundenlange Einvernahme von Antje B. im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München, das war am 20. November, nicht reicht. Die Frau ist jetzt wieder erschienen, diesmal mit einem Anwalt als Zeugenbeistand. Auch wenn sie weiter mauert, ist Antje B. doch vorsichtig geworden. Nachdem Richter Götzl sie bei der Befragung vor drei Wochen in die Mangel genommen hatte.

Antje B. hatte Blood & Honour dreist zu einer  familienfreundlichen Gemeinschaft von Musikliebhabern umgelogen und behauptet, den Angeklagten André E. und dessen Zwillingsbruder nicht zu kennen. Götzl hielt ihr vor, der Ex-Ehemann habe mit den beiden geschäftliche Kontakte unterhalten. Antje B. reagierte mit dem Ausruf „Scheiße“, danach war sie zu einer weiteren Aussage kaum noch fähig. Sie hat sich nun wieder gefangen, der Anwalt an ihrer Seite gibt offenbar Sicherheit. Doch es bleibt der Hang zur Verharmlosung der im Jahr 2000 in Deutschland verbotenen, tiefbraunen Vereinigung  Blood & Honour.

Die Zeugin mimt die Ahnungslose

Ob Gewaltanwendung in den Texten von Ian Stuart Donaldson eine Rolle gespielt habe, fragt Richter Götzl. „Kann schon sein“, sagt Antje B. Ihr seien nicht alle Lieder und Texte geläufig, „ich kann auch kein gutes Englisch“. Götzl fragt nach Liedern, in denen Gewalt eine Rolle spielt. Erst fällt Antje B. keins eins, dann sinniert sie über Texte, „wenn es um einen Trinkabend ging und daraus eine Schlägerei entstand“. Als ihren Lieblingssong nennt sie allerdings die „sehr schöne Ballade“ mit dem Titel „The snow fell“. Da betrauerte Ian Stuart Donaldson die Niederlage der Nazis im Feldzug gegen die Sowjetunion.

"Ich war auch sehr naiv"

Dass sie Zschäpe einen Reisepass angeboten haben soll, weist Antje B. wie schon am 20. November vehement zurück. Obwohl ihr keine Strafverfolgung droht, eine Unterstützung der Terrorzelle im Jahr 1998 wäre verjährt. Und zum Vorhalt des Richters aus den Ermittlungsakten, sie habe eine Zeitlang zwei Pässe gehabt meint Antje B. „ich kann dazu nichts sagen“. Dann bestreitet sie, was in den Akten steht. Auch über Aktionen der sächsischen Sektion von Blood & Honour und deren Umgang mit Waffen will sie nichts wissen. Antje B. versucht nun, sich hinter einem Klischeebild zu verstecken, das die Öffentlichkeit von der rechten Szene hat.

„Also ich war ja das einzige Mädchen bei uns“, sagt sie. Mit „bei uns“ ist in auch heute noch familiärem Ton die sächsische Sektion gemeint. „Die Jungs haben mich aus vielem rausgelassen“, die Stimme wird wieder nuschelig, „es ist so, dass Frauen nichts zu sagen haben und an den Kochtopf gehören“. Dann senkt sie die Stimme weiter, „ich war auch sehr naiv“. Richter Götzl fragt ungerührt weiter. Klare Antworten bekommt er kaum. Und als ein Nebenklage-Anwalt die Zeugin fragt, ob ihr der Name „White Youth“ etwas sage, antwortet sie „nee“. Der Anwalt hält ihr vor, White Youth sei die Jugendorganisation von Blood & Honour gewesen und ebenfalls im Jahr 2000 verboten worden. Antje B. nimmt es ohne Regung zur Kenntnis.

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