zum Hauptinhalt
AFP

© AFP

Update

Ägypten: Über 20 Tote bei Ausschreitungen wegen Urteil zu Fußball-Massaker

Das Oberste Strafgericht Ägyptens hat wegen der tödlichen Ausschreitungen in einem Fußballstadion vor knapp einem Jahr 21 Menschen zum Tode verurteilt - und damit neue, tödliche Proteste ausgelöst.

In Kairo hat das Oberste Strafgericht Ägyptens am Samstag 21 Fußballfans aus Port Said zum Tode verurteilt und damit in der Suezkanal-Stadt schwere Krawalle ausgelöst. Bis zum Nachmittag starben mindestens 22 Menschen und wurden über 200 verletzt, als eine Menge versuchte, das Stadtgefängnis zu stürmen und die Verurteilten zu befreien. Augenzeugen zufolge schossen Unbekannte mit automatischen Waffen auf die Polizei, die daraufhin Tränengas einsetzte. Zwei Polizeiwachen wurden gestürmt. Das Innenministerium in Kairo sprach von „gewaltsamen und blutigen Zusammenstößen“ in Port Said und erklärte, das Gefängnis werde weiterhin von Demonstranten unter Feuer genommen. Präsident Mohammed Mursi sagte seine für Sonntag geplante Reise zum Afrika-Gipfel nach Addis Abeba ab und rief das Militär zur Hilfe, um die Unruhen einzudämmen. Panzer fuhren vor allen wichtigen Regierungsgebäuden in Port Said auf, die Stadt ist seitdem komplett von der Außenwelt abgeriegelt. Mursi wird am kommenden Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch in Berlin erwartet und will anschließend weiter nach Paris reisen.

Die zum Tode verurteilten waren nach Ansicht des Gerichts vor einem Jahr an den schlimmsten Fußballkrawallen in der Geschichte Ägyptens beteiligt, bei denen 74 Menschen starben und über 1000 verletzt worden waren. Damals waren nach einem Spiel zwischen dem ägyptischen Spitzenclub Al Ahly aus Kairo und dem Gastgeberverein Al Masry aus Port Said die heimischen Fans auf die aus der Hauptstadt angereisten Schlachtenbummler losgegangen und hatten ein Blutbad angerichtet. Dutzende junge Leute aus Kairo wurden von den Tribünen in die Tiefe gestoßen, andere von der panisch fliehenden Menge zu Tode getrampelt. Am Ende lagen zahlreiche Tote erschossen oder erstochen auf dem Rasen. Die ägyptische Erste Fußball-Liga ist seitdem unterbrochen. Sie soll nun am 1. Februar wieder in eine neue Saison starten.

Der mit Spannung erwartete Richterspruch wurde direkt vom Staatsfernsehen übertragen. Die übrigen 52 Angeklagten, darunter neun Polizeioffiziere und drei Funktionäre des Vereins Al Masry, bekommen ihr Strafmaß erst am 9. März verkündet. Aus Sicherheitsgründen war das gesamte Gerichtsverfahren von Port Said nach Kairo in die große Polizeiakademie am Stadtrand verlegt worden, wo zuvor auch der Prozess gegen den früheren Machthaber Hosni Mubarak stattgefunden hatte.

Die Verwandten und Freunde der Opfer jubelten, die Fans von Al Adly feierten auf dem Clubgelände in Zamalek im Zentrum von Kairo den Richterspruch, schossen Feuerwerksraketen in den Himmel und fuhren mit einem hupenden Autokorso durch die Straßen. Zwei Tage zuvor hatte Präsident Mohammed Mursi die 74 Getöteten von Port Said zu offiziellen „Märtyrern der Revolution“ erklärt, so dass ihre Angehörigen jetzt Anspruch auf ein Schmerzensgeld von umgerechnet 12.000 Euro und eine monatliche Rente von 250 Euro haben.

Außenminister Guido Westerwelle äußerte alarmiert über die eskalierende Gewalt in Ägypten. „Ich sehe mit Sorge, dass es immer noch nicht gelingt, die Auseinandersetzungen um den richtigen Weg in eine gute Zukunft des Landes friedlich zu führen“, sagte er am Samstag bei einem Besuch in der Schweiz. Zugleich verurteilte er „jede Anwendung von Gewalt, von welcher Seite auch immer“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false