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Sterbehilfe als Vereinszweck. Unionspolitiker und Ärztekammer wollen das verbieten.

© dpa

Ärztekammer hofft auf Gesetz: Neuanlauf gegen Sterbehilfe?

Der neue Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) möchte, dass geschäftsmäßige Sterbehilfe umfassend verboten wird. Doch das zuständige Justizministerium plant keine Gesetzesinitiative. Die müsse, so argumentiert die SPD, schon aus dem Bundestag heraus kommen.

Wirklich zuständig dafür ist er nicht, aber die alte Debatte neu losgetreten hat er schon mal. Er wünsche sich, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in einem seiner ersten Interviews, „dass wir jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen“. Schon als Generalsekretär der CDU hatte der bekennende Protestant, der auch Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, an seiner ethisch-moralischen Haltung keinen Zweifel gelassen. Doch damals regierten die C-Parteien noch mit der FDP. Und deren Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger wollte dem offensichtlichen Geldverdienen mit menschlichem Leid zwar auch einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Den aus Mitgliedsbeiträgen finanzierten Sterbehilfevereinen jedoch das Geschäft gleich mit zu verbieten – dazu war die Liberale nicht zu bewegen. Das Gesetzesvorhaben verschwand, obwohl vom Bundeskabinett bereits abgesegnet, in der Schublade.

Nicht von oben herab

Nun wird das Justizministerium sozialdemokratisch geführt, und viele in der Union hoffen auf einen Neuanlauf. Dass es diesmal mit einem umfassenden Sterbehilfe-Verbot klappt, ist allerdings nicht gesagt. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu kein Wort. Die SPD beharrte darauf, dass die Initiative dazu, wenn überhaupt, nicht von oben herab, sondern aus der Mitte des Parlaments kommen müsse. Und Heiko Maas, der neue Justizminister, steht bei diesem Thema, auch wenn er momentan nichts dazu sagt, wohl eher auf der anderen Seite. „Ich meine“, so schrieb er vor acht Jahren in einem Zeitungsartikel, „dass aktive Sterbehilfe etwa todkranken Menschen ein qualvolles, langsames Sterben ersparen kann“.

Wobei – ein Verbot jeglicher Suizid-Beihilfe wollen auch im Unionslager die wenigsten. Nahen Angehörigen müsse sie, sofern der Sterbewillige die Fäden in der Hand behält, schon erlaubt bleiben, meint auch Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, der dem Vorstoß des neuen Gesundheitsministers nach Kräften applaudiert. Dass Mediziner bei einer Sterbehilfe assistieren, hält er allerdings für undenkbar. Es ist ihnen berufsrechtlich verboten. Und auch anderweitige professionelle Helfer, die „unter dem Deckmantel eines Liebesdienstes“ agierten, dürfe es nicht geben.

Auch die Stiftung Patientenschutz begrüßte Gröhes Vorstoß. Jede Form der organisierten Suizidbeihilfe müsse unter Strafe gestellt werden, sagte Stfitungsvorstand Eugen Brysch. "Denn wenn ein Prinzip ethisch falsch ist, kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob Geld fließt oder nicht." Der Entwurf zum Verbot der gewerbsmäßigen Suizidförderung sei daher im vergangenen Jahr zu Recht gescheitert.

Müntefering warnt vor Perfektionssehnsucht

Hierzulande ist nur die Tötung Sterbewilliger verboten, nicht aber Suizid-Beihilfe, etwa durch die Überlassung todbringender Medikamente, wie sie die Schweizer Organisation Dignitas oder der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch anbieten. Ursprünglich verlangte Kusch pro Fall 8000 Euro. Als ihm das untersagt wurde, gründete er einen Verein, das Geld fließt nun über Mitgliedsbeiträge. Allein in den Jahren 2010 und 2011 hat der Verein nach eigenen Angaben 48 Menschen beim Suizid begleitet. Auch Prominente, wie der einstige MDR-Intendant Udo Reiter und der Literaturkritiker Fritz Raddatz, fordern ein Recht auf aktive Sterbehilfe. Dagegen wehrt sich der frühere SPD-Chef Franz Müntefering. Vermischt mit Lebensüberdruss könnten sich Nützlichkeitserwägungen und Perfektionssehnsucht „zu einer gefährlichen Melodie“ vereinen, warnte er in der „Süddeutschen Zeitung“ (mit KNA).

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