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Blick auf die Uhr. Spitzenkandidat Bernd Lucke von der euro-kritischen Partei „Alternative für Deutschland“ bei der Pressekonferenz am Montag in Berlin. Aus seiner Sicht sind die Übergriffe auf die AfD im Wahlkampf weder hilfreich noch schädlich. Foto: Kay Nietfeld/dpa

© dpa

Angriff auf Bernd Lucke von der Alternative für Deutschland: Störungen durch Linksextreme könnten AfD im Wahlkampf helfen

Nach Angriffen von Linksextremisten auf die AfD wollen einige in der Partei die Vorfälle für den Wahlkampf nutzen. Denn der Durchbruch ist der eurokritischen Partei vier Wochen vor der Bundestagswahl bisher nicht gelungen. Meinungsforscher sind sich uneins darüber, wie groß das Potenzial der Partei überhaupt ist.

Berlin - Die Pressemitteilung war mit „Eilmeldung“ überschrieben: Offenbar wollte die eurokritische Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) am Samstag möglichst schnell publik machen, dass eine ihrer Wahlkampfveranstaltungen in Bremen von rund 20 vermutlich linksextremen Tätern gestört worden war. Mehrere Männer hatten Parteichef Bernd Lucke dabei von einer Bühne gestoßen. Lucke blieb zwar unverletzt, doch 16 Besucher litten nach Polizeiangaben im Anschluss an Beschwerden durch Reizgas.

Nach Angaben der AfD war es nicht die erste Störung von Wahlveranstaltungen – und so beließ es Lucke am Montag bei einem Auftritt vor der Hauptstadtpresse auch nicht dabei, die aktuelle Euro-Politik zu kommentieren. Er nutzte die Gelegenheit, um ein härteres Vorgehen gegen politisch motivierte Gewalttäter zu verlangen: Es gebe ein „Milieu von autonomer oder linksextremistischer Gewaltbereitschaft“, das zu sehr geduldet werde, sagte der Professor.

Auf der offiziellen Facebook-Seite der AfD war der Vorfall von Bremen zu diesem Zeitpunkt bereits Teil des Wahlkampfs geworden. „Unsere Gegner haben schlagende Argumente“, heißt es auf einem dort veröffentlichten Plakat, darüber sind vier Fotos von dem Angriff auf Lucke zu sehen. Zuvor waren Parteimitglieder im Internet aufgefordert worden, Bilder oder Videos von dem Zwischenfall an die Bundes-AfD zu schicken.

Der Parteichef bestritt am Montag allerdings, dass die AfD mit der angeblichen Bedrohung durch Linksextremisten nun Wahlkampf machen wolle: „Ich habe das Gefühl, dass das nicht schadet, aber auch nicht nutzt“, sagte er. Zuvor hatte die Partei von Störungen ihrer Wahlkampfaktivitäten unter anderem in Berlin, Göttingen und Schwerin berichtet und diese jeweils auch zum Gegenstand von Pressemitteilungen gemacht.

In der Partei allerdings sind auch Stimmen zu hören, die offen thematisieren, dass die jüngsten Vorfälle der AfD gerade in den letzten Wahlkampfwochen helfen könnten. Denn nach einem mit großer medialer Aufmerksamkeit verfolgten Start der Partei im Frühjahr war es über den Sommer recht ruhig geworden um die AfD. Der von der Parteiführung erhoffte Aufschwung in den Umfragen ist bisher ausgeblieben; in der Regel wird die eurokritische Partei von den Meinungsforschern mit zwei bis drei Prozent taxiert.

Lucke stützte sich deshalb bei seiner Pressekonferenz vor allem auf Aussagen des Demoskopen Manfred Güllner vom Forsa-Institut, der in der vergangenen Woche erklärt hatte, ein Einzug der AfD in den Bundestag sei durchaus möglich, weil es eine recht hohe Dunkelziffer von Sympathisanten geben könne, die sich bei den Erhebungen nicht offen zu ihrer Wahl bekennen möchten. Dem Tagesspiegel sagte Güllner, die potenzielle Wählerschaft der AfD weise „merkwürdige Parallelen“ auf zu einem Segment, das in den 90er Jahren verstärkt die „Republikaner“ gewählt habe: „Das sind Menschen, denen es objektiv gar nicht schlecht geht, die aber Statusängste haben und zu Verschwörungstheorien neigen.“ Die von der AfD nun herausgestellten Bedrohungen durch Linksextreme könnten nach Ansicht Güllners tatsächlich den Zusammenhalt der potenziellen Anhängerschaft stärken.

Andere Meinungsforscher wie Richard Hilmer von Infratest Dimap widersprechen hingegen der These, wonach die AfD in den Umfragen zurzeit möglicherweise unterbewertet ist. Gleichwohl sei nicht auszuschließen, dass die Zustimmung für die Lucke-Partei kurz vor der Wahl noch einmal größer werde. Weil die AfD jedoch vor allem eine Ein-Themen-Bewegung sei, komme es darauf an, ob die Euro-Krise noch einmal stärker Teil der Debatte werde. Bereits die Äußerungen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu einem weiteren Hilfspaket für Griechenland vor eineinhalb Wochen hätten der AfD messbar geholfen – allerdings könne dieser Effekt in den kommenden Wochen auch wieder verpuffen. Aus der AfD ist zu hören, dass der Zulauf zu Veranstaltungen in den südlichen Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zugenommen hat und dort erheblich größer ist als im Rest der Republik.

Bei der Pressekonferenz am Montag präsentierte Lucke auch einen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck. Nach Luckes Wunsch soll dieser darauf hinwirken, dass die Bundesregierung von ihr erwogene Ausstiegsszenarien aus dem Euro der Öffentlichkeit zur Verfügung stelle. Eine entsprechende Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz sei bisher unbeantwortet geblieben, kritisierte Lucke. Dies sei ein Beleg dafür, dass die Regierung Informationen zurückhalte.

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