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Syrien und Türkei: Ankara will Assad-Regime zermürben

Spekulationen über türkische Militäraktion

Mit politischem, wirtschaftlichem und militärischem Druck will die türkische Regierung das syrische Regime um Machthaber Baschar al Assad zum Zusammenbruch bringen. Die Türkei koordiniert ihr Vorgehen sowohl mit den Arabern als auch mit den Europäern – für beide Lager ist Ankara ein wertvoller Akteur im Syrien-Konflikt. Hauptgrund hinter der eindeutigen Parteinahme der Türkei für die Assad-Gegner ist die Ansicht, dass das Regime in Damaskus ausgespielt hat. Als direkter Nachbar mit einer 900 Kilometer langen Landgrenze will Ankara das als unvermeidlich angesehene Ende Assads aus Eigeninteresse so schnell wie möglich herbeiführen. Dabei ist nach Einschätzung von Beobachtern auch eine Militärintervention nicht mehr ausgeschlossen.

Lange hatte die türkische Regierung nach dem Ausbruch des syrischen Aufstandes im März darauf gesetzt, zu Reformen bewegen und so die Unruhe beim Nachbarn beenden zu können. „Wenn Assad es geschafft hätte, die Lage bis Mai unter Kontrolle zu bringen, hätten weder Türken noch Araber etwas unternommen“, sagte der Nahost-Experte Verysel Ayhan von der Ankaraner Denkfabrik Orsam dem Tagesspiegel. Doch Assad setzte ganz auf Gewalt gegen die Demonstranten – und scheiterte. Inzwischen sind mehrere Tausend Menschen ums Leben gekommen, die Kämpfe eskalieren, die Wirtschaft liegt darnieder, und das Regime ist international weitgehend isoliert.

Eine Dauerkrise im Nachbarland Syrien, das wegen seiner geografischen Lage das Tor der Wirtschaftsmacht Türkei zum Nahen Osten ist, würde türkischen Interessen schaden, heißt es nun in Ankara. „Nun will die Türkei, dass alles schnell vorüber ist“, sagte Ayhan. Die türkische Zeitung „Hürriyet“ zitierte einen namentlich nicht genannten syrischen Regierungsvertreter mit der Einschätzung, das Assad-Regime könne innerhalb der nächsten sechs Wochen unter dem Druck der internationalen Sanktionen kollabieren.

So geht das Erstarken der syrischen Deserteure zum Teil auf türkische Hilfe zurück. Die Deserteurstruppe „Freie Syrische Armee“ konnte sich in den vergangenen Monaten in türkischen Flüchtlingslagern bilden, ihre Anführer werden von den türkischen Behörden gegen mögliche Anschläge beschützt. Ein türkischer Oppositionspolitiker berichtete kürzlich nach einer Reise nach Syrien, dort seien auffällig viele Feuerwaffen aus türkischer Herstellung zu finden. Auch politisch und wirtschaftlich setzt die Türkei das Assad-Regime unter Druck. Die in Istanbul gegründete Exil-Oppositionsgruppe Syrischer Nationalrat soll nach den Worten von Außenminister Davutoglu mit türkischer Hilfe auf dem internationalen Parkett aufgewertet werden.

Militärische Varianten sind auch im Gespräch. Die syrische Muslim-Bruderschaft, ein Todfeind des Assad-Regimes, erklärte sich bei einer Pressekonferenz in Istanbul einverstanden mit einer „türkischen Intervention“. Seit längerem wird in der türkischen Presse über die Einrichtung eines türkisch kontrollierten Sicherheitsstreifens mit Flugverbotszone auf syrischem Territorium spekuliert; auch die FSA hatte sich dafür ausgesprochen.

Offiziell ist dies in Ankara kein Thema, doch das könnte sich dem Nahost-Experten Ayhan zufolge bald ändern. Sollten Sanktionen nichts bringen, würden Türken und Araber möglicherweise versuchen, eine UN-Resolution zu erwirken, die einen Militäreinsatz in Syrien erlaubt. Breite arabische Unterstützung für eine solche Resolution würde es China und Russland erschweren, ihr Veto einzulegen.

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