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Politik: Ankommen in der Wirklichkeit

Serbien ändert langsam seine Haltung zum Kosovo.

Berlin - Die Fortschritte sind klein und doch beinahe sensationell. Denn dass es im Streit um die Unabhängigkeit des Kosovo überhaupt Fortschritte gibt, ist bemerkenswert. Vor fast fünf Jahren erklärte die frühere serbische Provinz Kosovo ihre Unabhängigkeit, Serbien weigert sich aber bis heute, dies anzuerkennen. Kurz vor Jahresende ist nun endlich Bewegung in den Konflikt gekommen. Seit Mitte Dezember werden zwei Grenzübergänge im Norden des Kosovo von Serben und Kosovaren gemeinsam überwacht, Ende Dezember sollen zwei weitere folgen. Monatelang hatte sich die serbische Minderheit in der Grenzregion gegen das sogenannte integrierte Grenzmanagement gewehrt, mit Straßensperren und sogar mit Waffen. Sie sieht darin eine Anerkennung der Grenze und damit indirekt der Unabhängigkeit des Kosovo.

Nun ist das „Grenzmanagement recht gut angelaufen“, wie die stellvertretende Ministerpräsidentin des Kosovo, Edita Tahiri, sagt. Tahiri vertritt das Kosovo auch in einem von der EU moderierten Dialog mit Belgrad. Insgesamt sieben Vereinbarungen hatte sie dort mit der serbischen Regierung des westlich orientierten Präsidenten Boris Tadic verhandelt, die Umsetzung verlief bis zum Ende von Tadics Amtszeit im Frühsommer aber schleppend. Aus Sicht des Kosovo ist das Grenzmanagement der erste sichtbare Erfolg des Dialogs – den in Belgrad ausgerechnet eine neue Koalition früherer Gefährten von Slobodan Milosevic möglich machte. „Es gibt Anzeichen, dass Serbien die neue Realität anerkennt“, kommentiert Tahiri im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Eine Schlüsselrolle spielt dabei offenbar Belgrads neuer Premierminister Ivica Dacic, einst Pressesprecher Milosevics, der sogar den Spitznamen „kleiner Slobo“ hatte. Dacic hat Milosevics Sozialisten wieder an die Regierung geführt, zunächst als Koalitionspartner von Tadic, nun im Bündnis mit dem radikalen Präsidenten Tomislav Nikolic. Und während Nikolic mit nationalistischen Äußerungen die Nachbarstaaten verärgert, scheint Dacic sich für den konstruktiven Part in der seit Juli amtierenden Regierung entschieden zu haben. Auch in der Kosovofrage. Die neue Regierung sei „überzeugt, dass alle offenen Fragen von unserer Generation gelöst werden müssen“, sagt er.

Dacic geht Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg, ist aber auch um Ausgleich bemüht. Journalisten, die ihn mit kritischen Fragen in Rage gebracht haben, klopft er nach einer Pressekonferenz schon mal auf die Schulter und nickt ihnen versöhnlich zu. Edita Tahiri spricht von einer guten Arbeitsatmosphäre auch bei den Dialoggesprächen zwischen Dacic und dem Premier des Kosovo, Hashim Thaci. Entscheidender für die jüngsten Fortschritte war aus ihrer Sicht allerdings der Einfluss der EU und der USA. „Besonders Berlin hat Serbien klargemacht, dass es sich konstruktiv zeigen muss, wenn es eine Annäherung an die EU wünscht.“ Dieser Druck müsse aufrecht erhalten werden, sagt Tahiri. Nun sei „eine prinzipielle Übereinkunft“ über die Eröffnung zweier ständiger Vertretungen in den Hauptstädten erzielt worden.

In einem lang vorbereiteten Papier will Serbien offenbar anbieten, keine Schulen, Behörden und Gerichte mehr in den serbischen Gemeinden im Kosovo zu betreiben. Dies berichteten serbische Medien kurz vor Weihnachten. „Es ist offensichtlich, dass das Thema Parallelstrukturen gelöst werden muss“, zitiert der Sender B92 Premier Dacic mit einer Aussage, die bisher nur von Politikern aus Pristina zu hören war. Dacics Preis ist allerdings hoch, denn es heißt, im Gegenzug wolle Belgrad für die Serben im Kosovo eine Quasi-Unabhängigkeit fordern.Es könnte aber sein, dass die neue serbische Regierung versucht, sich auf diese Weise einen Weg zu ebnen, um sich langfristig vom Kosovo zu verabschieden. Ulrike Scheffer

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