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Als am Montagabend der Lkw in den Weihnachtsmarkt raste, war Moataz mit einem Freund an einem der Stände.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Anschlag in Berlin: „Das Leben will immer weiter“

Der 19-jährige Syrer Moataz S. war auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, als der Lkw in die Menge raste. Über seine Erlebnisse sprach er mit unserer Autorin Marie Griedelbach.

"Eine Minute, bevor der Lkw kam, habe ich Fotos vom Weihnachtsmarkt gemacht und sie auf Facebook gepostet. Ich war mit einem Freund dort. Ich kann mich nicht genau erinnern, woher der Lastwagen kam, aber ich war vor ihm. Nachdem es passiert ist, war der Schock erstmal groß. Ich konnte nichts machen. Ich habe nach meinem Freund gesucht und habe versucht, zu verstehen, was um mich herum passiert ist. Dann schaute ich auf den Boden und sah den Mann, der vorher neben mir stand. Menschen eilten zu ihm, um zu prüfen, ob er noch lebte, aber er gab keine Antwort. Er ist sofort gestorben. 

Dann habe ich versucht, einer alten Frau beim Aufstehen zu helfen. Sie spürte ihre Füße nicht mehr und konnte nicht laufen. Andere Menschen haben sie ihn ein Auto gebracht. Dann hat mein Freund nach mir gerufen. Er fühlte, dass er verletzt war. Ich habe ihm seine Jacke ausgezogen und ihn untersucht, er hatte viele Scherben im Rücken, aber sonst war er okay. Er konnte zuerst nicht gut atmen und ich habe ihn mit zu mir nach Hause genommen.

"Ich flüchtete vor Terroristen in Syrien - sie folgen mir" 

In der U-Bahn habe ich einen syrischen Freund hier in Berlin angerufen. Er hat für mich nachgeschaut, was passiert ist und mir Links geschickt. Bis heute schaue ich den ganzen Tag Nachrichten, zum Beispiel Deutsche Welle auf Arabisch. Aber selber ins Fernsehen möchte ich nicht, ich will nicht bekannt sein. Meine Familie in Aleppo konnte nicht einschlafen, bevor sie mich über einen Videoanruf gesehen hat. Ich musste auch laufen und springen, damit sie sehen, dass ich wirklich okay bin.

Ich kann meine Gedanken über das, was passiert ist, nicht gut ausdrücken. Aber das waren Terroristen. Und ich bin Flüchtling vor Terroristen in meinem Land. Sie folgen mir.

"Mein Leben ändert sich nicht"

Ich denke nicht, dass sich mein Leben in Berlin jetzt verändert. Ich habe in Syrien Schlimmeres gesehen und erlebt. Flugzeuge mit Bomben waren jeden Tag über meiner Stadt. Und ich war verletzt. Ein Freund, der neben mir saß, ist von einer Bombe getötet worden. Aber das Leben will immer weiter."

Moataz S. ist 19 und kommt aus Raqqa in Syrien. Seitdem der IS Raqqa eingenommen hat, lebt seine Familie in Aleppo. Er ist der einzige, der geflohen ist. Seit September 2015 ist Moataz in Berlin, zur Zeit lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft in Kreuzberg und macht einen Deutschkurs, Niveau C1. Moataz möchte Medizin studieren.

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