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Arbeitsmarktpolitik: Arbeitsministerin Nahles will Hartz-IV-Bezieher stärker fördern

Arbeitsministerin Andrea Nahles will ein neues Bundesprogramm für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose auflegen. Für die Grünen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Von der guten Lage am Arbeitsmarkt haben Langzeitarbeitslose in den letzten Jahren kaum profitiert: Im März waren es mehr als eine Million Menschen, die seit mindestens zwölf Monaten vergeblich nach einem Job suchen, so viele wie seit 2011 nicht mehr. Für einige von ihnen will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun ein neues Förderprogramm auflegen. Von 2015 an sollen bis zu 30 000 Hartz-IV-Empfänger möglichst dauerhaft in Arbeit vermittelt werden, wie aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht. Angesichts der massiven Kürzungen in den vergangenen Jahren sei dies jedoch nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisiert die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer.

Bis zu 30 000 schwer Vermittelbare sollen von dem neuen Programm profitieren

Vorbild für das neue Programm ist ein Modellprojekt („Perspektive in Betrieben“), das bislang in Nordrhein-Westfalen und im Saarland erprobt wird. Allerdings nur im Mini-Format: Seit Mitte 2013 wurde für 33 Langzeitarbeitslose eine Stelle in einem Betrieb gefunden. Die Idee des Programms ist, dass Mitarbeiter des Jobcenters gerade für die Hartz-IV-Empfänger Jobs akquirieren, die über keinen Berufsabschluss verfügen und die als schwer vermittelbar gelten. Die Arbeitslosen sollen beispielsweise als Maler, Küchenhilfe oder Klempnerhelfer tätig werden, nach ihrem Beschäftigungsbeginn werden sie vom Jobcenter weiter betreut. Ihre Arbeitgeber erhalten bis zu drei Jahre lang zum Teil erhebliche Lohnkostenzuschüsse.

Grünen-Arbeitsmarktexpertin: Dem "Heer der Abgehängten" wird nicht geholfen

Das Arbeitsministerium will nun den Zugang zu diesem Programm erleichtern: Während die Bewerber bislang mindestens fünf Jahre ohne Job sein mussten, sollen es künftig nur noch zwei Jahre sein. Insgesamt sollen bis zu 470 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds fließen, hinzu kommen Mittel aus dem Fördertopf der Jobcenter. An den Details wird noch gearbeitet, im Sommer werde das Kabinett darüber beraten, sagte ein Sprecher des Arbeitsministeriums.

Für die Grünen-Politikerin Pothmer handelt es sich allerdings nur um ein Programm mit „Alibi-Charakter“. Dem „Heer der Abgehängten“ werde damit nicht geholfen, kritisiert die Arbeitsmarktexpertin. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband, der am Freitag eine Studie zur Förderung von Langzeitarbeitslosen vorlegte, sprach lediglich von einem „allerersten Schritt“.

Seit 2010 gab es massive Kürzungen in der Arbeitsmarkpolitik

Seit 2010 wurden die Mittel in der aktiven Arbeitsmarktpolitik erheblich gekürzt, von 6,6 auf 3,9 Milliarden Euro. Dadurch ging auch die öffentlich geförderte Beschäftigung spürbar zurück, wie die Antwort auf die Grünen-Anfrage zeigt: Während im Jahresdurchschnitt 2010 noch 344 000 Personen einen solchen Job hatten, waren es 2013 nur noch 151 000, ein Rückgang von 56 Prozent. Und der Abwärtstrend setzt sich fort: Im Februar 2014 gab es nur noch 123 000 Teilnehmer solcher Maßnahmen, darunter etwa 84 000 Ein-Euro-Jobber. Dazu gehören auch rund 26 000 Menschen in der „Bürgerarbeit“, ein Programm, das Ende 2014 auslaufen wird. In diesem Jahr, so Pothmer, drohten viele Langzeitarbeitslose in ein „Förderloch“ zu fallen.

Paritätischer Wohlfahrtsverband: Jeder dritte Beschäftigungsträger musste seine Arbeit einstellen

Diese Befürchtung teilt auch der Paritätische Wohlfahrtsverband. Nach einer Umfrage des Verbands ist seit 2010 jeder zweite Maßnahmenplatz für Langzeitarbeitslose abgebaut worden. Überdurchschnittlich seien dabei die Ein-Euro-Jobs reduziert worden, um etwa zwei Drittel. Innerhalb von drei Jahren hätten 37 Prozent der Beschäftigungsträger ihre Arbeit einstellen müssen. Die verbliebene Förderlandschaft sei „ein Flickenteppich“ von kurzfristigen Hilfen und Maßnahmen, die nicht geeignet seien, das Problem der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit zu lösen, kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

Die Grünen-Politikerin Pothmer fordert deshalb, einen „verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt“ für schwer vermittelbare Arbeitslose zu schaffen. Nach Schätzungen gibt es mehrere hunderttausend Hartz-IV-Empfänger, die auch mit massiver Unterstützung auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben. Auch sie hätten aber „ein Recht auf Arbeit“, mahnt Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Hier könne man von den Integrationsbetrieben für Menschen mit Behinderung lernen.

Die Hälfte der Hartz-IV-Empfänger landet schon ein Jahr nach der Vermittlung wieder in der Grundsicherung

Die Bundesagentur für Arbeit (BA), der Städtetag und der Landkreistag hatten vor kurzem ebenfalls eine „Offensive zur besseren Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit“ eingefordert. Nach Statistiken der BA erhalten drei Millionen erwerbsfähige Menschen seit zwei oder mehr Jahren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Und selbst von denen, die vermittelt wurden, kehrte die Hälfte innerhalb eines Jahres wieder in Hartz IV zurück. Zu den Maßnahmen mit einem solchen „Drehtüreffekt“ gehören auch die Ein-Euro-Jobs, wie aktuelle BA-Statistiken zeigen: Danach waren sechs Monate nach dem Auslaufen der Arbeitsgelegenheiten 48,5 Prozent der Betroffenen erneut arbeitslos. Ein BA-Sprecher sagt: „Solche Instrumente haben wir deshalb in den letzten Jahren bewusst zurückgefahren.“

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